Prof. Dr. Ulrich Vosgerau, der als Strafverteidiger den thüringischen
AfD-Vorsitzenden Björn Höcke vor dem Landgericht Halle vertritt, soll -
laut Michael Klonovsky (München) - auf X *(*twitter) mitgeteilt haben
(Zitat):
„Der geschätzte Kollege Volker Boehme-Neßler kommentiert auf CICERO weithin
ordentlich das Hallenser Strafverfahren gegen Björn Höcke. In einem
wichtigen Punkt muß man ihm allerdings widersprechen! Nämlich, wenn
Boehmer-Neßler – freilich *ohne* damit sagen zu wollen, Höcke habe auch nur
den objektiven Tatbestand erfüllt, denn er hat die ominösen drei Worte
‚Alles für Deutschland’ ja eingebaut in einer längeren Wendung mit ganz
eigenem Sinngehalt verwendet, und *ohne* (selbst wenn der objektive
Tatbestand erfüllt sein sollte) Höcke auch Vorsatz zu unterstellen –
immerhin behauptet:
'Der historische Befund ist klar und völlig unstrittig. Die Parole ‚Alles
für Deutschland’ war die Parole der SA, einer verbrecherischen
nationalsozialistischen Organisation. Zwischen 1933 und 1945 war sie im
Alltag Deutschlands überall zu lesen und zu hören.'
Daß die drei Worte ‚die Losung der SA’ gewesen seien, ist in der Tat in
etlichen Kommentaren zum Strafgesetzbuch zu lesen. Sicher hat Boehme-Neßler
einen konsultiert, er ist ja eigentlich kein Strafrechtler. Alle
Kommentare, in denen das steht, zitieren zum Beleg immer nur eine einzige
Gerichtsentscheidung (mehr gibt es denn auch nicht), OLG Hamm, Urt. v.
01.02.2006, 1 Ss 432/05. In dieser Entscheidung stellt das OLG Hamm zwei
Behauptungen auf, nämlich 1) die drei Worte seien ‚die Losung der SA’
gewesen, und 2) dieser Umstand sei ‚allgemein bekannt’.* Weder für die eine
noch die andere Behauptung liefert das OLG Hamm jedoch irgendeinen Beleg*,
etwa aus der Fachliteratur." (Zitatende)
Diesen Text soll Vosgerau "getwittert" haben. Es ist nur ein Ausschnitt,
den ich hier gewählt habe.
Mir geht es um möglichst präzise Informationen: Die *Österreichische
Zeitschrift für Geschichtswissenschaften* (ÖZG) veröffentlichte in ihrer
Ausgabe 5/1994 einen wissenschaftlichen Beitrag von Dr. phil. habil. Walter
Manoschek, Professor an der Universität Wien. In diesem Beitrag findet sich
auch ein Zitat von General Franz Böhme: "Alles für Deutschland! Alles für
unseren Führer!" Mit diesen Worten habe General Böhme seinen Tagesbefehl
beendet (vgl. ÖZG 5/1994, S. 62).
Es gibt ganz sicher weitere historische Nachweise für die in Rede stehende
Parole. Die Behauptung des OLG Hamm ist dem Beweis zugänglich, wie schon
die vorstehende, kurze Recherche zeigt.
Ob Björn Höcke die gegenständliche Parole fahrlässig oder vorsätzlich von
sich gegeben hat, wobei nur die absichtliche Wiedergabe der Parole
strafbewehrt wäre, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Es gilt die
Unschuldvermutung und es ist, meiner Meinung nach, nicht die Aufgabe zu
(ver)urteilen, wenn man nicht dazu berufen ist - dafür sind in einem
Rechtsstaat die entsprechenden Gerichte zuständig. Allerdings ist meines
Erachtens nicht die in Rede stehende Parole strafbewehrt, vielmehr ist es
die Gesinnung, die nach gültiger Rechtslage in Deutschland - aus
historischen und präventieven Gründen - strafwürdig ist.
J. Stimpfig