Die Frage, ob Wladimir Putin die Vergiftung seines Gegenspielers Alexej Nawalny in Auftrag gegeben hat, ist von den internationalen Medien unter Ausschöpfung der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit ausgiebig diskutiert worden. Zu Ende gebracht werden kann die Debatte nicht, weil keine irdische Instanz Putin vor den Internationalen Gerichtshof oder den Internationalen Strafgerichtshof zitieren kann mit dem Ziele, dort absolute und abschließende Klarheit zu schaffen. Eine Verbesserung der diplomatischen Beziehungen – vor allem zwischen Deutschland und Russland – hat die Debatte nicht gebracht.
An diesem Punkte täte die deutsche Diplomatie gut daran, sich an den folgenden Rechtsgrundsatz zu erinnern, wenn sie den deutsch – russischen Scherbenhaufen nicht noch vergrößern will: Die Unschuldsvermutung ist eines der Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens und wird heute von den meisten Ländern der Welt zumindest dem Anspruch nach anerkannt. Seine universelle Anerkennung findet der Grundsatz in Art.11 Abs.1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948:
„Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“
Zusammenfassung: da wir also mit der Beweisführung nicht vorankommen, sollten wir uns mit der Unschuldsvermutung zufrieden geben, bevor wir einen diplomatischen Scherbenhaufen angerichtet haben, der zur Folge hat, dass die Röhre mit Namen „Nordstream 2“ zur Freude der Amerikaner für alle Zeiten unbenutzt auf dem Grunde der Ostsee vor sich hin rostet! Otfried Schrot