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Heute bemerken wir alle eine Inflation beim Einkauf von Lebensmittel und bei Preisen von Energie. Die ist jedoch bei weitem nichts, was vor knapp 100 Jahren zwischen 1922 und 1923 geschah. Vor Kurzem fiel mir ein Haushaltsbuch meiner Großeltern aus den 20-er Jahren in die Hand. Besonders interessant war die Dokumentation der monatliche Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben auf ihrem Sparkonto in der Zeit der großen Inflation. Beide führten sie einen ganz normalen Durchschnittshaushalt für Personen, die damals 21 bzw. 24 Jahre alt waren. Eine Inflation gab es damals bereits nach Ausbruch des ersten Weltkrieges. Im Jahre 1918 war die Mark nur noch halb so viel wert wie 1914. Nach Ende Krieges setzte sich die Geldentwertung mit stärkerem Anstieg weiter fort. Ihre Hauptursache lag in den Schulden durch die Staatsanleihen für die Kriegsführung, in der Niederlage Deutschlands im erste Weltkrieg und den auferlegten Reparationszahlungen an die Siegermächte sowie die Besetzung des Ruhrgebietes 1923 durch französische Truppen. In Österreich trat unter ähnlichen Gründen die große Inflation Monate früher ein. Damals fuhren viele Bayern, so berichtet Stefan Zweig, nach Salzburg um Bier zu trinken, weil der Umtauschkurs zur östereichischen Kronen zunächst extrem günstig war.

In Deutschland lagen die monatlichen Haushaltskosten Anfang des Jahres 1922 noch bei wenigen 1000 Mark.

Im Laufe des Jahres 1922 jedoch vervielfachte sich die Abwertung des Geldes immer gravierender. Ab Herbst 1922 bis Mitte 1923 lag die Teuerungsrate bereits zwischen 50 bis 100% pro Monat. Die Reichsbank gab schon vor hundert Jahren im November 1922 große Geldscheine wie den 50000 Mark-Schein heraus.

Nach jeweils 5 bis 6 Wochen verdoppelten sich etwas später dann die Lebenshaltungskosten, die Einnahmen der Bürger kamen kaum nach. Mitte des Jahres 1923 lagen die monatlichen notwendigen Ausgaben einer Familie bei mehreren Zehntausend Mark. So kostete ein Ei, das im Januar in Berlin noch 139 Mark kostete im Juni 1923 bereits 729 Mark oder die Kosten für 1 kg Brot stiegen im gleichen Zeitraum von 306 Mark auf 1253 Mark.

Es wurde jedoch noch viel schlimmer. Die Inflation nahm, wie das Diagramm der Einnahmen und Ausgaben meiner Großeltern pro Monat zeigt, chaotische Züge an. Die monatlichen Preissteigerungen lagen zwischen dem 10 bis bis zum 300 -fachen (am krassesten im Oktober 1923). Die Höhenachse im Diagramm musste logarithmisch angegeben werden, um überhaupt noch übersichtlich zu erscheinen. Der oberste Zahlenwert der Höhenskala sind 10 Billionen Mark.

Das Geld musste von den Bürgern sofort wieder ausgegeben werden, sonst trat ein enormer Verlust ein. Lebensmittel, Kohlen, Gas, Wasser oder Mieten oder auch Steuern mussten bezahlt werden. Ausgaben fielen fast täglich an, die Einnahmen flossen aber gewöhnlich nur wöchentlich ein. Innerhalb einer Woche konnten sich die Preise aber schon vervielfacht haben.

Viele Leute verloren durch diese Geldentwertung ihr Hab und Gut, mussten ihr Eigentum verkaufen um überhaupt Leben zu können. Meine Vorfahren verloren so ein Mehrfamilienhaus, was sie mühsam erworben hatten. Vom damaligen Hausverkauf konnten sie sich nur noch zwei 4-Pfundbrote leisten. Der Höhepunkt der Inflation war im November 1923 erreicht. Ein Straßenbahnfahrschein kostete 150 Milliarden Mark, ein Brot 470 Milliarden Mark oder ein Ei 320 Milliarden Mark. Der Staat kam mit dem Drucken der Geldscheine nicht mehr nach. Eingekauft werden musste mit großen Geldscheinen und -mengen. Das Papiergeld konnten nicht mehr schnell genug gedruckt werden. Zeitweise behalf man sich deshalb mit nur noch einseitig bedruckten Scheinen oder mit Aufdrucken, so z. B. auf dem 1000-Mark-Schein der schräge rote Aufdruck „Eine Milliarde Mark“.

Ebenso verfuhr man mit Briefmarken. Der große Gewinner war der Staat, denn die Schulden, die sich durch die enormen Kriegsanleihen auf 2,5 Billionen Mark beliefen, waren quasi nicht mehr real vorhanden.

Meine Großeltern verzeichneten im November 1923 zwar Einnahmen von 10 Billionen Mark und Ausgaben von 5,8 Billionen Mark, was waren diese jedoch wirklich wert? Diese Frage löste sich, als am 15. November 1923 die Rentenmark, später in Reichsmark (RM) umbenannt, eingeführt wurde. Die Währungsreform war möglich nachdem weitere Verhandlungen zu Reparationszahlungen aufgenommen wurden und Kreditvergaben für Deutschland erfolgten. 1 Billionen Mark entsprach einer Rentenmark, d. h. sie hatten noch ein Rest-Sparguthaben im Wert von etwa 4 Rentenmark. Ein Tauschvermerk war auf den 1 Milliarde-Mark-Schein aufgedruckt. Hier findet man die Aufschrift, “...ab 1. Februar 1924 kann diese Banknote aufgerufen und unter Umtausch gegen andere gesetzliche Zahlungsmittel eingezogen werden“.

Der 1 Milliarde-Mark-Schein entsprach dann neu aber nur 0,1 Pfennigen. Es gab auch vergleichsartige zum späteren Tausch vorgesehene Scheine mit Aufdruck 1 Billionen, 5 Billionen oder 10 Billionen Mark die noch weit in das Jahr 1924 getauscht werden konnten. Die Mehrzahl der großen Geldscheine, die nicht mehr das gedruckte Papier wert waren, benutzten die Kinder als Spielgeld, war es doch als Zahlungsmittel wertlos.

Es dauerte noch Monate bis sich die Geldsituation in übersichtliche Bereiche eingependelt hatte. Manche Städte gaben zeitweise eigenes Notgeld, was nur lokal genutzt werden konnte, heraus. In Sammlerkreisen sind die Notgeldscheine heute begehrt

Die Rentenmark wurde bald in Reichsmark umbenannt.

Bei meinen Großeltern endet im November der Haushaltseiintrag für 4 Monate und beginnt am April 1924 wieder mit dem Eintrag Eingang: 70 Mark (RM).

Dr. Helmut Jendro











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