Leserbrief zu Peter Münchs Artikel „Ein neuer Feind im Haus“ (in der SZ vom 2. 7. S. 9):
Peter Münch behauptet, die Hamas kämpfe - anders als die von einem grenzüberspannenden Kalifat träumenden salafistisch orientierten Gruppen - „allein für einen palästinensischen Gottesstaat zwischen Mittelmeer und Jordan“. Sollte ihm entgangen sein, daß die in der Tat gegen das kolonialistische Israel gerichtete „nationalistische Bewegung Hamas“ sich bereits in ihrem Wahlprogramm (von 2005) und dann auch in ihrem Regierungsprogramm (von 2006) mit einem palästinensischen Staat in den Grenzen von vor 1967 einverstanden erklärt und Israel damit zumindest indirekt bereits anerkannt hat? Dies wurde darüber hinaus von Führungskräften der Hamas in etlichen Interviews bekräftigt.
Selbst Ephraim Halevy, der frühere Mossad-Chef und nationale Sicherheitsberater Ariel Sharons, schrieb schon 2008 (!) in Yedioth Ahronoth, die Hamas-Führung habe sich „direkt vor unseren Augen“ verwandelt. „Sie hat zur Kenntnis nehmen müssen,...dass ihr ideologisches Ziel unerreichbar ist und für alle absehbare Zukunft bleiben wird. Sie ist nun bereit und willens, einen palästinensischen Staat in den … Grenzen von 1967 zu akzeptieren…..“ (*)
Zwar findet sich in ihrem Grundsatzprogramm noch eine Formulierung, die man als „Zerstörung Israels“ interpretieren kann, aber eine inhaltlich gleich lautende Erklärung im Grundsatzprogramm der Fatah, den damaligen „Terroristen“, hat Jitzhak Rabin Anfang der 90er Jahre nicht daran gehindert, mit dieser in Verhandlungen einzutreten.
Die Hamas hat Israel auch einen langfristigen Waffenstillstand, eine religiös abgesegnete „Hudna“, angeboten, deren Verletzung eine schwere Sünde darstellt. Aber das friedensunfähige Israel ignoriert dies alles hartnäckig, so wie auch die Saudi-Initiative der Arabischen Liga von 2002, die Israel einen umfassenden Frieden und „normale Beziehungen“ anbot im Tausch für einen Rückzug aus den besetzten Gebieten. Dieses weitgehende Angebot wurde mehrere Mal vergeblich wiederholt.
Bezeichnenderweise geht Münch auch darüber hinweg, daß die der Hamas immer wieder unterstellte Zielvorstellung, nämlich ganz Palästina ohne Israel, sich umgekehrt im Grundsatzprogramm des immerhin regierenden Likud findet, in dem ein palästinensischer Staat zwischen Jordan und Mittelmeer kategorisch ausgeschlossen wird. Unmittelbar vor der letzten Wahl hat Netanyahu dies in dankenswerter Offenheit ja noch einmal bekräftigt.
Das alles stimmt nahtlos überein mit dem von David Ben Gurion (auf dem Zionistenkongress 1947, also vor der Staatsgründung Israels) formulierten programmatischen Satz: „Unser Ziel ist nicht ein jüdischer Staat in Palästina, sondern ganz Palästina als jüdischer Staat.“
In dem Zusammenhang ist es aufschlußreich, einen Gedanken der großen jüdischen Denkerin Hanna Arendt in Erinnerung zu rufen, die in ihrem Hauptwerk („Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ von 1951) darauf hinwies, dass „die jüdische Frage“ gelöst wurde durch die Kolonisierung und Eroberung eines Territoriums“ mit der Folge einer „neuen Kategorie von Flüchtlingen: den Arabern“. Wenige Jahre später schrieb sie übrigens aus Jerusalem an ihren Mann: „So wie wir die Palästinenser behandeln, müssen wir uns ja auf der ganzen Welt verhasst machen.“
(*) zit. von Henry Siegman, früherer Direktor des American Jewish Congress, eine der einflussreichen jüdischen Stimmen in den USA, Gast-Professor an der Universität von London und Leiter des US Middle East Project in New York (nachzulesen in http://palaestina-portal.eu/Stimmen_international/siegmann_henry_israels_luegen.htm)