Sehr geehrter Herr Müller
In Anbetracht der kommenden Wahl möchte ich Ihnen eine kleine Notiz über Vorgänge unter der Ägide des Senats zukommen lassen.
Es handelt sich um das Großbauprojekt der Bonava in Karlshorst, der „Parkstadt Karlshorst“.
Hier werden über tausend Wohnungen errichtet und die Infrastruktur in keiner Weise angepasst. Schon jetzt stauen sich die Fahrzeuge im Berufsverkehr auf der Hauptstraße Richtung Ostkreuz kilometerweit. Der Hinweis auf ökologische oder klimafreundliche Fortbewegung wird der Lächerlichkeit preisgegeben - keine Straßenbahnlinie führt in die Nähe der seit fast 20 Jahren NEU rekonstruierten S-Bahn Kreuzung Ostkreuz.
Dafür jedoch wurde ebenfalls kein einziger Parkplatz am Ostkreuz eingerichtet - vielmehr wurde nicht einmal dafür gesorgt, dass Autos legal überhaupt halten können, um Passagieren ein Umsteigen auf die Bahn zu ermöglichen.
In die Richtung der Trabrennbahn, wo ebenfalls eine so große Anzahl Wohnungen geplant wird oder in Richtung Schöneweide sieht es ähnlich aus. Der Kollaps der Infrastruktur ist programmiert - wer wird dafür zur Verantwortung gezogen?
Die Bonava hat nur eine begrenzte Anzahl von Stockwerken projektiert und genehmigt bekommen. Diese Anzahl wird offensichtlich von der Bonova um mindestens ein Stockwerk überzogen. In aller Öffentlichkeit. Ohne Konsequenzen.
Das Erdreich dieses ehemaligen Betriebsgeländes ist tief kontaminiert. Mehrere Meter dieses Erdreiches sollten laut Baugenehmigung als Sondermüll entsorgt werden. Auf diesem Gelände werden neben der Wohnanlage auch Kindergarten und Schule errichtet. Laut der Beobachtung vieler Bürger fand dies wahrscheinlich nicht statt. Allerdings ist der Aushub und die Lieferung des kontaminierten Erdreiches sehr leicht durch Belege auf der Sondermülldeponie nachweisbar!
Ist dies durch Behörden erfolgt?
Es reicht vielleicht nicht sich auf die Errichtung dringend benötigten Wohnraums zu berufen - zumal der weitaus größte Anteil der Wohnungen als teure Eigentumswohnungen angeboten werden.
Das allerdings merkwürdigste Phänomen ist der Name „Parkstadt“. Er impliziert doch unter anderem das Vorhandensein von Bäumen. Wie ist zu erklären, dass über 280 (in Worten ZWEIHUNDERTACHTZIG) Bäume gefällt wurden? Natürlich verlangen Baumaßnahmen zuweilen das Fällen von Bäumen, z.B. dort, wo das Haus gebaut wird. Es ist jedoch nicht nachzuvollziehen, dass auch Bäume weit neben den zu errichtenden Gebäuden gefällt wurden. Und das in hoher Zahl. Hier handelte es sich um große, gesunde, viele Jahrzehnte alte Laubbäume. Beigelegte Bilder, aufgenommen am 27./28.01.2021 können dies nur ansatzweise dokumentieren. Als dann das ‚Massaker‘ in der Trautenauer Straße, hier soll die Straße verbreitert und Parkbuchten angelegt werden, weiter getrieben wurde, erkundigte ich mich beim Grünflächenamt, dem Ordnungsamt und einigen anderen Behörden und Verantwortlichen nach der Rechtmäßigkeit der Baumfällungen. Mir wurde geantwortet, dass alle Maßnahmen schon lange in den Behörden zur Einsichtnahme auslägen. Nur konnte man durch die Pandemie keine dieser Auslagen in Anschein nehmen. Und natürlich muß bekannt sein, dass überhaupt solche Maßnahmen geplant sind. Parkbuchten? Dafür Bäume fällen? Damit die Anzahl der geparkten Autos durch Parkbuchten um die Hälfte dezimiert werden wird, werden Bäume gefällt? Etwas widersinnigeres ist kaum vorstellbar. Mir wurde gesagt, dass Baurecht vor Baumrecht gehe. Schon das ist in der heutigen Zeit der sich anbahnenden Klimakatastrophe eine absurde Regel, die der Überprüfung anheim fallen müßte. Der herbeigerufenen Polizei am 28.01.21 konnte die Bauleitung der Bonava offensichtlich kein behördliches Dokument vorgelegt werden. Da mir keine Einsichtnahme gewährt wurde und der fällende Betrieb (auf den Bildern ebenfalls dokumentiert) keine Fällgenehmigung vorweisen konnte, bleibt der Vorgang zumindest zweifelhaft. Einer von mir am selben Tag vor dem Amtsgericht Lichtenberg eingereichte einstweilige Verfügung wurde nach vielen Tagen abschlägig beantwortet. Auch die Argumente der Wiederanpflanzung scheinen Alibicharakter zu tragen. Was nutzt es den Menschen vor Ort, wenn irgendwo viele Kilometer weiter kleine, junge Bäume gepflanzt werden? Das Mikroklima, die Sauerstoffversorgung, der CO2 Ausstoß, Kaltluftschneisen, das Grundwasser - all dies ist vor dem Hintergrund der vergangenen heißen Sommer, die Bäume und Menschen höchstem Streß aussetzten, unwiderruflich beschädigt worden.
Ich möchte daran erinnern, dass die Städteplanung, insbesondere der so genannten Gartenstädte in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, auch in Berlin heute immer noch zu bestaunen, wesentlich fortschrittlichere Prämissen auf ihre Fahnen schrieben.
Wie verträgt sich die permanente mediale, parteiliche und politische Diskussion und die geplanten einschneidenden Maßnahmen des Klimaschutzes mit der praktizierten Wirklichkeit?
Sehr geehrter Herr Müller, da ich sie auf verschiedenen Veranstaltungen als sympathischen Oberbürgermeister kennen lernen durfte, scheint es mir angebracht Sie auf diesen eklatanten Widerspruch hinzuweisen.
Mit vielen freundlichen Grüßen
Matthias Tschiedel
Offener Brief an den Oberbürgermeister von Berlin
- von Matthias Tschiedel
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