Sanktionen sind einem engen verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen unterworfen.
In den politischen Aussagen der Befürworter von Totalsanktionen schwingt leider immer eine gewisse Stammtischmentalität mit, ohne sich auf tatsächliche nach anzuwendendem Recht begründete Richtlinien zu konzentrieren. Im Bundestag bzw. in der Regierung sitzen doch haufenweise Juristen. Außerdem ist die juristische Kenntnis von sehr, sehr vielen Mitarbeitern in den Jobcentern so hauchdünn, um effizient einzusehen, ob zur aufgeforderten Arbeitsaufnahme dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation, die vorgebracht werden und einer Arbeitsaufnahme bei objektiver Betrachtung entgegenstehen könnten, richtig einordnen zu können. Ich bezweifle, dass hierzu vor einer generell zu schnellen Bescheidung mit so einer Sanktionsmaßnahme eine eingehende, fundierte Bewertung stattfindet! Die Einschätzung des Jobcenters zu einer Zumutbarkeit ist nicht geeignet für eine Entscheidungsgrundlage.
Und wenn Politiker genau ein solches Vorgehen fordern, liegen sie falsch damit. Denn das erhöht immens die Verwaltungskosten mit unzähligen vermeidbaren Rechtsstreitigkeiten.
Was denn verfassungsrechtlich möglich ist, sowie geltendem Recht nicht entgegen steht kann ich dahingehend formulieren, dass in juristisch begründeten Fällen solche Totalsanktionen nach der Rechtssprechung durchaus, jedoch in einem sehr, sehr engen Rahmen zulässig sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil über die Verfassungsmäßigkeit von Totalsanktionen vom 05.11.2019 mit Az. - 1 BvL 7/16 - folgendes in
Randnummer 209 herausgestellt:
" Anders liegt dies folglich, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern. Ihre Situation ist dann im Ausgangspunkt derjenigen vergleichbar, in der keine Bedürftigkeit vorliegt, weil Einkommen oder Vermögen aktuell verfügbar und zumutbar einsetzbar sind. Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und im Sinne des § 10 SGB II zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II willentlich verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, die einer Arbeitsaufnahme bei objektiver Betrachtung entgegenstehen könnten, ist daher ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen."
Ich halte die sachgerechte Anwendung für notwendig und richtig.
Es bedarf aber keiner neuen gesetzlichen Regelung. Einfach die rechtlichen Möglichkeiten nutzen.
Jedoch mit diesem Thema populistische halbwahre Sprüche zu klopfen, sowie Fehlentscheidungen bewusst in Kauf zu nehmen halte ich für extrem ungerechtfertigt!
Herbert Gießmann