In Brüssel hat es umfangreiche Razzien gegen eine mutmaßlich kriminelle Organisation gegeben, in der die Vize-Präsidentin des Europaparlaments, mehrere Brüsseler Funktionäre und ein Golfstaat (vermutlich ausgerechnet Katar!) verstrickt sein sollen.
Bei 16 Durchsuchungen wurden demnach Datenträger, Mobiltelefone sowie Bargeld in Höhe von rund 600.000 Euro beschlagnahmt. Ermittelt wird wegen "bandenmäßiger Korruption und Geldwäsche". Fünf Menschen wurden festgenommen.
Die Rede ist hier nicht von der Camorra, sondern von Mitgliedern des Europaparlaments.
Es gibt Spötter und EU-Kritiker, die behaupten, es gäbe keinen Unterschied.
Doch eine solche Behauptung würde jenen EU-Parlamentariern nicht gerecht, die ihren eigentlichen Auftrag, den Willen der Bürger mit Demut und respektvoll politisch umzusetzen, ernst nehmen.
Über Korruption sollte man eigentlich keine Witze machen.
Aber die folgende Anektode passt zum aktuellen Geschehen.
Vor einigen Jahren lud der damalige britische Premier David Cameron zu einem Anti-Korruptionsgipfel 40 Staaten und mehrere NGOs ein.
Vor Beginn der Veranstaltung stand man in einem stuckgeschmückten Saal des Buckingham-Palasts nett zusammen. „Hirnloser“ Smalltalk war angesagt.
Cameron berichtete, lässig ein Glas in der Hand, stolz aus der jüngsten Sitzung seines Kabinetts.
Der Gipfel werde eine interessante Sache. Hohe Politiker aus "unglaublich korrupten Ländern" hätten sich angekündigt, darunter Vertreter aus "Nigeria und Afghanistan, den korruptesten Staaten der Welt".
„Die Herren reisen doch hoffentlich auf eigene Kosten an“, fragte einer der Teilnehmer schmunzelnd.
Es folgte Gelächter und allgemeine Heiterkeit.
Dieses Ereignis ist bereits ein paar Jahre her, aber geändert hat sich bis heute nicht viel.
Diese Veranstaltung würde auch in Deutschland, dem „politischen Tempel der Hochmoral“ vermutlich nicht viel anders verlaufen.
Derartige politische Gipfel sind nichts weiter als Augenwischerei der Mächtigen und der politischen Eliten.
Man will dem „naiven Volk“ zeigen, „schaut her, wir tun etwas gegen die Korruption“.
Dabei ist, wie bei so vielen politischen Gipfeltreffen, außer Millionenspesen wieder einmal nichts gewesen.
Der Volksmund sagt „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“.
Der jüngste Korruptions-Wahrnehmungs-Index von Transparency International zeigt, dass auch für Deutschland beim Kampf gegen Korruption im öffentlichen Sektor noch Luft nach oben besteht.
Bevor die deutschen Hochmoralisten auf typisch überhebliche Weise ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen und mit dem Finger auf andere zeigen, sollten sie lieber vor der eigenen Haustür kehren.
Die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft ist eine der größten Geiseln der Menschheit. Ein gesellschaftspolitisches Krebsgeschwür, das seit Jahren zunehmend wuchert.
Wer von Einzelfällen redet, verharmlost das Problem, das längst systematische Züge aufweist.
Während weltweit mehr als 800 Millionen Menschen hungern und täglich mehr als 24 000 von ihnen den Hungertod sterben, stopfen sich gierige Nimmersatts auf illegale Weise die Taschen voll.
Kein anderer Umstand ist für die globale Armut so entscheidend wie korrupte Strukturen.
Die Korruption frisst nahezu zwei Billionen Euro im Jahr.
Korruption entzieht den Staaten Steuergeld, es trägt zu sozialer Ungleichheit bei und schreckt Investoren ab. Korruption macht Staaten schwer krank.
Zugleich ist das Bestechen und Sich-bestechen-Lassen eine der ältesten Übungen der Welt.
Das eigentlich Erschütternde ist, dass man nach jeder Aufdeckung eines Korruptionsskandals immer weniger weiß, wer zu den Guten und wer zu den Bösen zählt.
Freundliche Grüße
Alfred Kastner