Offener Brief an Pater Anselm Grün
zu seinem Schreiben in besser leben Newsletter
Sehr geehrter Herr Pfarrer Grün,
nicht nur, aber gerade zu Pfingsten, hätte ich - und dies unbedingt - eine andere Sprache von Ihnen erwartet.
Eine, die nicht spaltet -
sondern ein Haus für alle baut und damit Frieden (erst) ermöglicht.
Dass im Krieg als Erstes die Wahrheit verloren geht, das heisst, dass im Krieg (zumindest) die unmittelbaren
Kriegsparteien lügen, ist hinlänglich bekannt.
Die Bilder aus der Ukraine machen auch mich sprachlos.
Allerdings machen mich die Bilder russischer, toter Soldaten, meist fast noch Kinder, auf dem Boden liegend,
ein ukrainischer Soldat steht dahinter, mit der rechten Hand das Gewehr hoch haltend, den linken Fuss auf
dem Bauch eines toten Jungen abgestellt, stolz seine Trophäe präsentierend, unbestrittener O-Ton hierzu
"Wir brechen Ihnen allen das Rückgrad", ebenso sprachlos.
Sie offensichtlich nicht.
Sie haben bei diesen Bildern noch eine Sprache.
Allerdings keine christliche.
Für einen Kirchenvater sind Ihre Worte hier mehr als unangemessen:
halbe Wahrheiten sind oft schlimmer als ganze Lügen.
Ihre Worte geben weder Hoffnung auf Wahrheit noch Frieden.
Sie spalten weiter - treiben somit den Krieg voran, gehen die Gefahr eines Atomkrieges ein, statt Frieden zu
stiften.
Der amtierende Papst, der in einem Interview in der Corierra della Sera die Mitverursachung Putins an diesem
Krieg aus seiner Sicht einräumte, ist Ihnen da offensichtlich kein Vorbild.
In Trauer um alle toten Soldaten in diesem Krieg, alle jungen Männer, die man gezwungen hat, in den Krieg zu
ziehen, um ihre traurigen Mütter, Frauen und Kinder, um die Hungernden in Ostafrika, um weitere anstehende
Hungersnöte, bete für die Präsidenten der Ukraine und von Russland, dass sie die richtigen Worte finden, um
Frieden zu schliessen.
Es sind bereits jetzt mehr Menschenopfer und Zerstörung eines Landes, die eine zunächst berechtigte Selbst-
verteidigung zulassen.
Seit einiger Zeit ist dies kritischer zu sehen.
Die wechselseitigen Bemühungen um einen Friedensvertrag stehen nicht mehr im Fokus, werden dadurch wei-
teres Leid und weitere Not erzeugen.
In der Hoffnung, dass Ihre Einsichten und Ihr christlicher Glaube gestärkt werden -
bete ich für Sie und alle Kirchenväter, dass Sie Ihren Einfluss friedensstiftend und nächstenliebend einsetzen.
Ich wünsche Ihnen Frohe Pfingsten.
Mit besten Grüssen
Petra Reitzel, Heidelberg