Zunächst wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen
Gottes Segen zu Weihnachten!
Aus München grüßt
Pater Eberhard Gemmingen SJ
Predigt zum Weihnachtsfest 25.12. 2021
Wir feiern Weihnachten, wir feiern die Geburt des Erlösers der Menschheit. Wir glauben: Gott ist Mensch geworden. Er hat sich der Menschheit in ihrer Not angenommen. Er hat unser Menschenschicksal angenommen, um uns dadurch an sich zu ziehen und uns zu seinen Söhnen und Töchtern zu machen.
Lesung aus dem Brief an die Hebräer, Kap. 1, 1-6
Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; am Ende dieser Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben von allem eingesetzt, durch den er auch die Welt erschaffen hat; er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort, hat die Reinigung von den Sünden bewirkt und sich dann zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt; er ist umso viel erhabener geworden als die Engel, wie der Name, den er geerbt hat, ihren Namen überragt. Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt, und weiter: Ich will für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein? Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in die Welt einführt, sagt er: Alle Engel Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen.
Aus dem Heiligen Evangelium nach Johannes, Joh. 1, 1-5 und 9 – 14
Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
Predigt
Liebe Schwestern und Brüder
Ich wünsche Ihnen zunächst eine gesegnete Weihnacht. Wirklich gesegnet, wird unser Weihnachten dann, wenn wir ein wenig in ihr tiefes Mysterium eindringen. Worin besteht das Mysterium von Weihnachten?
Ich stelle mir vor: Über der Krippe hängt ein schönes barockes Spruchband: Gott sandte seinen Sohn in die Welt. Und ein anderes Band: Der Sohn Gottes kam in die Welt. Mit beiden Spruchbändern tue ich mich schwer. Denn sowohl das Wort „Senden“, wie auch das Wort „Kommen“ setzen voraus, dass eine gewisse Entfernung überwunden werden musste. Und das befremdet mich, denn kann es rund um den Gedanken Gottes so etwas wie Entfernung geben? Sind diese Worte nicht zu menschlich? Ist Gott nicht allgegenwärtig. Kann Gott kommen?
Ich würde über der Krippe lieber das Spruchband aufhängen: „Gott ist erschienen“. Ja – er ist in dem Kind Jesus erschienen. Er hat sich gezeigt, ist sichtbar geworden. Das ist der christliche Glaube.
Aber der Evangelist Johannes hängt noch ein anderes Spruchband über das meine. Auf seinem Spruchband steht: Das Wort ist Fleisch geworden. Das Wort ist Fleisch geworden. Ich muss es auf Griechisch sagen: Ho logos sarx egeneto. Das ist eigentlich der provozierende christliche Glaube: Der unendliche, ewige, für den Menschen unbegreifliche Gott ist in Jesus von Nazareth Fleisch geworden. Das Wort „Fleisch“ bringt es in besonders drastischer Weise zum Ausdruck. Denn das Wort „Fleisch“ lässt anklingen, dass dieser Mensch verwundbar, verletzbar, sterblich ist. Gott wurde so wie wir sind, verwundbar durch Krankheiten, Schläge, Seuchen.
Wir feiern also heute die Geburt dieses außergewöhnlichen Menschen, in dem Gott in die Welt kam. Von ihm bekennt der christliche Glaube, dass er zugleich Gott und Mensch ist. Daher liebe ich den Ausdruck: Gott ist in Jesus Christus erschienen, hat sich sehen lassen, anfassen lassen. Er ist aber nicht nur eine Erscheinung, sondern Gott ist handgreiflich da und nahe. Er ist so handgreiflich da, dass man ihn umbringen konnte.
Was ich bisher gesagt habe, lässt vielleicht keine weihnachtliche Stimmung aufkommen. Es tut mir leid. Aber wenn es uns um mehr geht als um Stimmung, müssen wir die Wahrheiten des christlichen Glaubens schon offen ansprechen.
Und doch können wir – wenn wir das bedacht haben – geistig zurückkehren zur Krippe in Bethlehem. Wir können das Baby in einer Futterkrippe sehen, Maria und Josef und die Hirten. Es sieht sehr menschlich aus. Aber eigentlich nicht heimelig. Und da stehen auch Ochs und Esel. Wissen Sie, wie diese in die Krippe gekommen sind? Im Pseudo-Matthäus-Evangelium werden dem Propheten Jesaia diese Worte in den Mund gelegt: Es kennt der Ochse seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.
Wenn wir Weihnachten, die Geburt Jesu Christi feiern, geht es ja letztlich darum, dass wir unser Leben verankern an Jesus Christus, in dem Gott sichtbar geworden ist. Und Gott, das mysteriöse Geheimnis ist auch verwundbar geworden, hat sich sehen und greifen lassen. Und nicht nur dies. Es zeigten sich in ihm die „Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes“. So heißt es im Titusbrief des Apostels Paulus.
Und diese Güte und Menschenfreundlichkeit hat sich nicht nur in Wundern gezeigt, in Hinwendung zu den Kleinen und Schwachen und Verachteten. Sie hat sich vor allem gezeigt, indem Jesu seinen Weg zu Ende gegangen ist bis zum Kreuz. Beim Abendmahl hatte er den Jüngern gesagt: Dies ist mein Fleisch, dies ist mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird. Er ist seinem Weg der Liebe treu geblieben und ist für uns gestorben. Weihnachten ist der Anfang dieses Treueweges. Wir dürfen jubeln und jauchzen, aber müssen die Tiefendimension dieses Geburtstages bedenken. Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes. Wir schaffen die Corona-Krise, wenn wir uns schweigend an die Krippe stellen. Und dabei könnten wir mein liebstes Weihnachtslied singen oder summen.
Ich steh an Deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben.
Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut
nimm alles hin, und lass dir`s wohl gefallen.
Da ich noch nicht geboren war, da warst du mir geboren
Und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt´ erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.
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Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht`, wie schön sind deine Strahlen!
Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen; und weil ich nun nicht weiterkann, bleib ich anbetend stehen. O dass mein Sinn ein Abgrund wär, und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen! |
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Fürbitten Vater unseres Herrn Jesus Christus, wir bitten heute besonders für die Kinder, vor allem die Kinder in Not, die Hunger leiden, auf der Flucht sind, aber auch für die Kinder, die von ihren Eltern zu wenig Liebe erfahren. Herr erbarme dich Vater unseres Herrn Jesus Christus, wir bitten dich heute für die Christen, die in armen Hütten, Kellern, Unterständen Weihnachten feiern. Schenke ihnen dennoch die wahre richtige Freude. Herr erbarme dich. Vater unseres Herrn Jesus Christus, schenke allen Menschen, die jetzt im Skiurlaub sind, die sich vergnügen und entspannen eine tiefe Erkenntnis vom Weihnachtsgeheimnis. Herr erbarme dich. Vater unseres Herrn Jesus Christus, schenke der Menschheit den Frieden, schenke ihnen vor allem den Menschen in der Ukraine und in anderen östlichen Nachbarländern. Herr erbarme dich. |
P. Eberhard Gemmingen SJ
Im Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit