EU warnt China vor verschärftem Handelskonflikt; v. Ansgar Haase und Johannes Neudecker; Donaukurier vom 25. Juli 25, S. 5
Europa droht China – ist das ein Witz? Leider nein. Vor kurzem hat die EU ihr 18. Sanktionspaket beschlossen. Neben Indien und der Türkei steht nun auch China im Fokus. Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2000 war China für 6% der weltweiten Produktion verantwortlich, bald werden es 45% sein. Im gleichen Zeitraum wird der Anteil der USA von 25% auf 11% und der Deutschlands von 8% auf 3% fallen. In den entscheidenden Zukunftsfeldern hat China längst die Nase vorn: Das beginnt bei den akademischen Leistungen, den Patentanmeldungen und Fertigungskapazitäten, setzt sich fort bei Robotik und Automatisierung, Batterieforschung und E-Autos über die Kontrolle der Schlüsselressourcen und kritischen Lieferketten bis zur Meeres- und Weltraumforschung. Es ist, als hätte die EU den letzten Rest ihres Verstandes an den Nagel gehängt und sich von jeglichem Wirtschaftspragmatismus verabschiedet. Es reicht nicht, den russischen Markt (freiwillig) verlassen zu haben, sich mit Trump und den USA anzulegen – nein, eine dritte Front muss eröffnet werden: China – und das mit dem völkerrechtswidrigen Mittel der Sekundärsanktion. Ich darf daran erinnern, dass die EU im Jahr 1996 mit der Blocking-Verordnung einen eigenen Rechtsakt erlassen hat, in dem sie ihren Unternehmen explizit verbietet, sich derartigen illegalen Sanktionen zu unterwerfen. Jetzt wendet sie diese selbst an – tiefer kann man nicht fallen. Kein Wunder, dass der chinesische Außenminister im Rahmen des EU-China-Gipfels letzte Woche die Außenbeauftragte der EU, Frau Kallas, darauf hingewiesen hat, dass China zu Gegenmaßnahmen gezwungen ist, sollte die EU chinesische Banken illegal sanktionieren. Gegenmaßnahmen? Ein Beispiel: Im Jahr 2024 importierte die EU 28% seltene Erden aus Russland und 46% aus China, also drei Viertel ihres gesamten Bedarfs. Eine Exportbegrenzung würde die Produktion von Flugzeugen, Kühlschränken, Batterien, Autos, Magneten etc. in Deutschland zum Erliegen bringen und natürlich auch die Produktion von Waffen wie Kampfjets und Drohnen – also genau die Waffen, die Deutschland jetzt in nie dagewesener Menge produzieren und an die Ukraine liefern will, um Russland zu besiegen. Die EU verhängt also eine rechtswidrige Maßnahme gegen China, um Russland zu treffen, mit der sie in der Folge ihre eigene Befähigung, Russland je treffen zu können, de facto zunichte macht. Und während eine derart ideologisch verblendete EU bereits dabei ist ihr 19. Sanktionspaket zu schreiben, formiert sich da draußen eine neue Weltordnung, zunehmend dollarresistent und von Brüssels Doppelmoral völlig unbeeindruckt. Das alte Kolonialzeitalter ist passé, Peking und Delhi rüsten ihre Lieferketten um, BRICS Plus expandiert und neue Handelskorridore und Allianzen entstehen, bei denen Brüssel völlig im Abseits steht. Diese, durch das Unvermögen globale Veränderungen zu erkennen erreichte Selbstisolation wird für uns alle noch schwerwiegende Folgen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans Geißlinger