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4. Adventssonntag im Lesejahr C

Einführung

In den heutigen vorweihnachtlichen Lesung aus dem Profeten Micha geht es um die Geburt des Erlösers, eines Königs des Friedens. Aber das Evangelium weist darauf hin, dass es nicht mit Trommelwirbel vor sich geht, sondern in einer kleinen zwischenmenschlichen Begegnung, nämlich zwischen der Gottesmutter Maria und Elisabeth.

Lesung aus dem Propheten Micha Kap. 1, 1 – 4a

 

Du, Betlehem-Efrata, bist zwar klein unter den Sippen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen. Darum gibt er sie preis, bis zu der Zeit, da die Gebärende geboren hat. Dann wird der Rest seiner Brüder zurückkehren zu den Söhnen Israels.

Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des HERRN, in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes. Sie werden in Sicherheit wohnen; denn nun wird er groß sein bis an die Grenzen der Erde. Und er wird der Friede sein.

 

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas, Kap.1, 39 - 47

In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. Da sagte Maria: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“

 

Predigt

Wir stehen wenige Tage vor dem Fest der Geburt unseres Erlösers. Wenn wir das Wort „Erlöser“ hören, dann sofort die Frage: Und warum erlöst er uns nicht von der Pandemie Corona. Warum erlöst er uns nicht vom Flüchtlingselend, vom Hunger, von Seuchen, von Krieg und auch von Dummheiten? Wir bräuchten Frieden, Nahrungssicherheit, Gesundheit, auch Überwindung von Angst und Einsamkeit. Wir brauchen keinen Weihnachtszauber mit Lebkuchen und Glühwein.

Noch vor hundert Jahren hätten wohl die meisten Priester verkündet: Die Pandemie ist eine Strafe Gottes für die Sünden der Menschheit, für ihren Materialismus, Egoismus, für ihre Vergnügungssucht. Heute spricht wohl fast niemand von Strafe Gottes in der Pandemie. Ist das richtig?

Ich denke: Die Pandemie ist für den Menschen, der nach Gott fragt, ein Denkanstoß. Die Pandemie soll uns vielleicht an einige Tatsachen erinnern, die die Menschheit vergessen oder verdrängt hat. Die Menschheit hat seit dem 2. Weltkrieg immer mehr der Überzeugung: Wir haben Welt und Geschichte weitgehend im Griff, wir besiegen die Krankheiten, wir schieben den Tod ein gutes Stück hinaus, wir bauen Maschinen, die uns preiswert in Stunden um die Welt transportieren, andere Maschinen, die Informationen in Sekundenschnelle den Globus umkreisen. Und wenn wir viel Geld haben, können wir auf dem Mars spazieren gehen. Probleme haben wir noch mit Diktaturen und mit der Oberflächlichkeit und Vergnügungssucht der Menschen. Aber die kriegen wir auch in den Griff. Die Menschheit fühlte sich immer mächtiger, immer allmächtiger.

Und die Pandemie kann uns daran erinnern: Der Mensch ist nicht allmächtig. Er kommt an seine Grenzen. Er ist nicht Gott, der Mensch hat keine göttliche Kraft. Auch kann uns die Pandemie erinnern: Aller Fortschritt gibt dem Menschen keine Antwort auf die Frage: Welchen Sinn hat mein Leben. Unsere Sehnsucht nach Treue, nach Liebe, nach Verbindlichkeit wird durch allen technischen Fortschritt nicht gestillt. Diese tiefe Sehnsucht in jedem von uns lässt sich nicht auslöschen. Wir können den Sinn unseres Lebens nicht Musik verdrängen, nicht organisieren. Wir können ihn nur suchen und vielleicht dann sogar finden. Und da spricht nun das Weihnachtsfest, auf das wir zugehen von einem Erlöser.

Die Lesungen von heute geben uns den Ansatz einer Antwort. Die Lesung aus dem Propheten Micha spricht von der Geburt eines Herrschers, der dem Volk Israel Frieden bringt. Die Sehnsucht nach Sinn zeigte sich im Volk Israel auch in der gemeinsamen Ausschau nach einem Friedenskönig, der das Volk Israel eint, nach einem Messias. Und dieser Messias kommt nicht aus dem berühmten Jerusalem, sondern aus einem kleinen Dorf, Bethlehem. Und im Evangelium geht es um eine scheinbar kleine nebensächliche Begegnung zwischen zwei schwangeren Frauen, Maria und Elisabeth. Mir scheint, dass das symbolische Hinweise darauf sind, dass die Erlösung nicht vom Großen, Starken, Mächtigen kommt, sondern von unten, vom Kleinen.

Das gemeinsame Warten des Volkes Israel auf einen Erlöser zeigt: Die Suche nach dem Erlöser braucht Gemeinschaft. Jeder allein ist nur ein einsamer Sucher. Wo zwei oder mehr gemeinsam nach einem Erlöser ausschauen, ist das für alle Suchenden gut. Gottsuche und Gottesdienst sind immer eine Gemeinschaftsfeier. Jesus sagt ja auch: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Wenn wir einander in der Suche und im Ausschauen nach dem Erlöser begegnen, stärkt das unsere Hoffnung. Es ist gut, wenn wir unseren Glauben teilen, wenn wir miteinander Hand in Hand gehen.

Und die Erlösung kommt in unsere Herzen, wenn wir – wie Maria und Elisabeth – aufeinander zugehen. Elisabeth sagt: Das Kind in meinem Schoß hat sich geregt, als ich deine Stimme hörte. Und Elisabeth preist Maria: Selig bist du, die du geglaubt hast, was dir der Engel gesagt hat. Erlösung kommt nicht laut und von außen, sondern leise und ganz von innen. Aber der Weg nach innen ist für uns alle nicht so einfach. Er braucht Zeit und Ruhe. Es gibt ein wunderbares Wort des früheren viel gereisten UNO-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld: „Die längste Reise ist die Reise nach innen.“

Wer bringt aber auch ganz praktisch Erlösung in einer Seuche? Ich möchte hier in Europa auf eine wunderbare Heilsgeschichte verweisen. Denn haben nicht Zehntausende von Ordensfrauen durch Jahrhunderte tage- und nächtelang Kranke gepflegt? Sie taten es im Namen und aus dem Geist Jesu Christi. Waren es im Lauf der Jahrhunderte nicht Hunderttausende oder Millionen? War es nicht der Geist Jesu Christi, der die Pflege von Kranken und Sterbenden geschaffen hat. Erlösung kommt durch den Geist, nicht durch Organisation. Lassen wir uns vom Geist leiten, um die Pandemie aus dem Geist Jesu Christi zu überwinden. Impfen ist gut, Vertrauen auf den Geist Jesu Christi ist besser. Lange bevor öffentliche Krankenhäuser vom Staat eingerichtet wurden, haben sich Frauen im Namen Jesu Christi aufgeopfert. Erlösung kommt vom Geist der Hingabe und des Dienstes. Dazu helfe uns Gott! Amen

Fürbitten

Herr Jesus Christus, wir bitten dich für die Menschen, die in diesem Augenblick schwer leiden, die mit dem Tod kämpfen. Wir bitten auch für ihre Angehörigen. Schenke allen Gesundheit und Erlösung im Glauben und Vertrauen auf Dich. Christus höre uns

Herr Jesus Christus, wir bitten auch für die Pflegerinnen und Ärztinnen und Ärzte. Gib ihnen Kraft und Geduld, Ausdauer und die nötige moralische Unterstützung von außen. Christus höre uns.

 

Herr Jesus Christus, wir bitten für die Menschen, die in diesem Augenblick auf der Flucht sind, auf dem Mittelmeer und auf anderen Meeren. Schenk ihnen sichere Ankunft und aufnahmebereite Menschen. Christus höre uns

 

Herr Jesus Christus, wir bitten dich für die Politiker rund um den Globus. Schenke ihnen Einsicht und Weitsicht. Gib ihnen deinen heiligen Geist, damit sie ihre Verantwortung erkennen und wissen, dass sie eines Tages Rechenschaft von ihrem Tun geben müssen. Christus höre uns

 

 

 P. Eberhard Gemmingen SJ

Im Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit

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