zum Artikel im Mannheimer Morgen vom 30. Januar 2021 "Ämter fürchten Software-Chaos" von Leon Scherfig - Redakteur der Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe
Alle Welt spricht über Exit-Strategien aus dem Lockdown. Zahlenspielereien ohne Strategien der Absicherung verkennen den Ernst der Lage und sollten bei der nächsten Wahl abgestraft werden. Lockerungen über die Schulen hinaus, ohne echte Anstrengungen die Nachverfolgung zu verbessern dürften schnell zum nächsten Lockdown führen.
Doch gerade bei der Nachverfolgung geht so ziemlich alles schief, was selbst die Kanzlerin laut Bild beklagt haben soll. Die Einführung einer Software, die die Aufgaben vereinfachen und beschleunigen soll, mit Schnittstellen zu anderen Ämtern/Gesundheitsämtern und zum RKI, kommt einfach nicht voran.
Viele Gesundheitsämter hängen an ihren bisherigen Programmen und Abläufen. Zudem soll die von der Bundesregierung geforderte Software allzu viele Schwächen haben.
Dann soll die Einführung der Software auch noch von dem jeweils zuständigen Datenschutzbeauftragten abhängig sein - welch ein Horror.
Die Bundesregierung hatte die Einsetzung der Software mitten im Anstieg der Pandemie im Oktober/November vergangenen Jahres gefordert. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass die Gesundheitsämter damit einen Teil ihrer Energie für die Vorbereitung auf die Einführung eingesetzt und damit den weiteren Anstieg der Fallzahlen, nachdem ein Plateau erreicht war, begünstigt haben. Ziel war die Implementierung bis zum Jahresende. Jetzt wird vom Februar als neuem Ziel gesprochen. Und damit wieder zur falschen Zeit.
Lockerungen ohne Gesundheitsämter, die sich auf die Nachverfolgung konzentrieren und die eine schnelle Nachverfolgung - für präventive Effekte - gewährleisten können sind schlicht nicht zu verantworten. Theoretisch könnten Lockerungen dort zugelassen werden, wo ein Stresstest belegt, dass die Ämter in der Lage sind sich auf wieder steigende Fallzahlen einzustellen. Doch das was im vergangenen Jahr schief ging dürfte wieder schief gehen. Es ist zu befürchten, dass die Mutanten die Inzidenzen in kurzer Zeit von hoffentlich bald erreichten Werten um 25 schnell auf über 50 ansteigen lassen.
Die Ämter bzw. die politisch auf kommunaler Ebene Verantwortlichen hatten weder rechtzeitig erkannt wie schnell sie an ihre Grenzen kommen und waren auch nicht fähig den Personalbedarf mit Bundeswehr und Freiwilligen rechtzeitig zu decken. Da bleibt nur die vage Hoffnung, dass die Bundesregierung mit "Fordern und Fördern" kurzfristig eine Ergebnisorientierung erreicht und auf die Durchsetzung der Software-Implementierung vorerst verzichtet.
In einer Pandemie müssen Richtlinien, Vorschriften und Weisungen, die ansonsten ihre Berechtigung haben, ausgesetzt werden und straffen Arbeitsabläufen mit dem Ziel der Prävention absoluten Vorrang eingeräumt werden. Hier ist vor allem Mut auf der kommunalen Ebene gefordert, von der man allerdings nichts zu konkreten Maßnahmen hört, die geeignet sein könnten, um die Fehlleistungen vor der 2. Welle zu vermeiden.
Langfristig ist der Wirrwarr an Zuständigkeiten, bürokratischen Regeln und mangelnder lokaler Ergebnisorientierung wohl nur aufzulösen, indem die Nachverfolgung aus den Gesundheitsämtern ausgegliedert und von einem zentralen Kompetenzteam gelenkt wird.