Stellungnahme
 Deutsches Netzwerk Evidenz-
 basierte Medizin e.V. (EbM-Netzwerk)
 Berlin, den 19.05.2021
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 Impfung von Kindern und Jugendlichen gegen SARS-CoV-2 verlangt
 einen sorgfältigen öffentlichen Diskurs
 Die Impfung gegen SARS-CoV-2 ist einer der Schlüssel zur Beendigung der COVID-19-
 Pandemie. Für Erwachsene stehen mehrere zugelassene Impfstoffe zur Verfügung, die
 einen großen Nutzen für weite Teile der Bevölkerung haben. Der Stellenwert einer
 Impfung von Kindern und Jugendlichen gegen SARS-CoV-2 hingegen verlangt
 unbedingt einen sorgfältig geführten öffentlichen Diskurs.
 Bundesgesundheitsminister Spahn will bis zum Ende der Sommerferien den 12- bis 18-
 Jährigen in Deutschland ein SARS-CoV-2 Impfangebot machen (1).
Sogar ein vorrangiges
 Impfangebot solle Kindern und Jugendlichen unterbreitet werden, sobald der Impfstoff für
 diese Gruppe zugelassen sei, so Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Das seien die
 Erwachsenen „der jungen Generation schuldig“ (2). Auf dem Ärztetag wurde jüngst
 angekündigt, die Bundesregierung aufzufordern, unverzüglich eine COVID-19-Impfstrategie
 für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Das Recht auf Bildung könne nur mit einer
 rechtzeitigen Impfung gesichert werden (3).
 Erstaunlicherweise wird die Notwendigkeit und Begründung einer Impfung bei Kindern und
 Jugendlichen mehrheitlich nicht in Frage gestellt. Das EbM-Netzwerk sieht eine „Schuldigkeit“,
 und zwar auf Seiten der Politik, der Meinungsbildner und Entscheidungsträger im
 Gesundheitswesen: nämlich die Bringschuld eines sorgfältigen, verantwortungsbewussten
 und wissenschaftsbasierten Diskurses über die Evidenz und Evidenzlücken, die
 Angemessenheit und die ethischen Implikationen der Forderung nach einer Impfung von
 Kindern und Jugendlichen.
 Insbesondere die folgenden Aspekte bleiben sorgsam und faktenbasiert zu erörtern.
 Nutzenpotenzial der Impfung für Kinder und Jugendliche
 Die bisher vorliegenden Erkenntnisse legen nahe, dass Covid-19 Verläufe bei den
 symptomatisch werdenden Kindern und Jugendlichen in der Regel mild sind. Sie haben ein
 sehr geringes Risiko zu sterben oder schwere Verläufe zu erleiden (4).
 Dieses Risiko ist in Gruppen von vorerkrankten Kindern und Jugendlichen höher. Welche
 Kinder und Jugendliche zu diesen vulnerablen Gruppen gehören und wie hoch ihr Risiko für
 schwere Verläufe ist, muss systematisch untersucht werden.
 Schadenpotenzial der Impfung für Kinder und Jugendliche
 Die Zwischenergebnisse der noch laufenden, randomisierten kontrollierten Zulassungsstudie,
 auf welche die FDA ihre Notfallzulassung des mRNA-Impfstoffs von BioNTech/ Pfizer für
 Jugendliche ab 12 Jahren begründet, sind aktuell noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich (5).
 Weitere Studien zur Impfung von Kindern und Jugendlichen befinden sich mehrheitlich noch
 in Durchführung. Als Endpunkte sind Impfreaktionen, Antikörperantwort und unerwünschte
Ereignisse definiert. Als sekundäre Endpunkte werden in einigen Studien asymptomatische
 Infektionen und klinisch manifeste Infektionen untersucht. Langzeitstudien stehen
 (naturgemäß zum jetzigen Zeitpunkt) aus, die auch den allgemeinen Gesundheitszustand und
 die Gesamtheit der respiratorischen Infekte und deren Krankheitslast erheben sollten.
 Auch sehr seltene unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die erst in der Massenanwen-
 dung sichtbar werden, wären sehr bedeutsam. Eine stringente und lückenlose Nachverfolgung
 der UAW – die bei den Impfungen der Erwachsenen hierzulande nicht verbindlich praktiziert
 wird – ist unabdinglich einzufordern.
 Dieser Aspekt der Impfung benötigt daher eine größtmögliche Aufmerksamkeit, sowohl bei der
 wissenschaftlichen Evaluation als auch bei der zielgruppengerechten Kommunikation. Eine
 sorgfältige mediale Aufbereitung nach den Kriterien der evidenzbasierten Gesundheitsinfor-
 mation von erfahrenen, unabhängigen Institutionen ist hier unverzichtbar.
 Nutzen der Impfung für Erwachsene und das Pandemiegeschehen insgesamt
 Ob die Impfung von Kindern und Jugendlichen zu einem Nutzen bei der erwachsenen Bevöl-
 kerung beiträgt und das Pandemiegeschehen insgesamt dadurch entscheidend besser
 kontrolliert werden kann, ist unklar. Möglicherweise sind Kinder im Vergleich zu Erwachsenen
 weniger anfällig für SARS-CoV-2-Infektion und -Übertragung (6,7). Insofern könnte ihre Rolle
 in der Transmission untergeordnet und somit auch der Effekt des Impfens gegen SARS-CoV-
 2 auf die Gesundheit der Erwachsenen gering sein.
 Derzeit ist die Verfügbarkeit von Vakzinen begrenzt. Der Stellenwert der Impfung von Kindern
 und Jugendlichen muss auch in Bezug zu der Impfung von Personengruppen mit höherem
 Risiko und der globalen Impfstoffverfügbarkeit abgewogen werden. Auch virologisch-immuno-
 logische Unsicherheiten sind zu berücksichtigen wie ein potenzieller Unterschied zwischen
 infektionserworbener und Vakzin-erworbener Immunität oder eventuelle epidemiologische
 Verschiebungen in der Häufigkeit saisonaler Epidemien mit möglicherweise einhergehender
 erhöhter Gesamtmorbidität durch andere Viruserkrankungen.
 Diskutiert wird auch, ob eine natürliche Zirkulation von SARS-CoV-2 bei Kindern zu einem
 Zeitpunkt, an dem das Risiko für Erwachsene durch Impfungen minimiert worden ist, möglich-
 erweise nachhaltige Vorteile auf Populationsebene bewirken könnte, wenn Infektionen im frü-
 hen Lebensalter mit mildem Verlauf zu Infektions-bedingter Immunität führen und Geimpfte re-
 exponiert werden (6).
 Globale Verantwortung als Stimme im Diskurs
 Es gilt der globalen Verantwortungsübernahme eines privilegierten Landes gerecht zu werden.
 Die WHO appelliert eindringlich an die reichen Nationen, den SARS-CoV-2-Impfstoff an är-
 mere Länder zu spenden, anstatt jetzt damit Kinder zu impfen. Zuvor müssten erst einmal alle
 Risikopatienten für schwere Verläufe vollständig geimpft sein (8).
 Referenzen
 (1) Kritik an Spahns Impfziel für Jugendliche.
 https://aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=1041&typ=1&nid=123802&s=Impfen&s=Kinder, Zugriff am
 15.05.2021












































































































