Frankfurter Rundschau vom 18.10.2025
zum Interview mit Karl Schlögel in der FR vom 14.10.2025, S. 18 f.
(Titel: „Es gibt keine Garantie, dass alles gut ausgeht“)
Es ist seltsam, dass nun schon zum zweiten Mal hintereinander eine ausgeprägt russlandkritische Person den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. Wie Anne Applebaum im Jahr 2024, so ist auch Karl Schlögel einem dezidierten Schwarz-Weiß- oder Gut-Böse-Denken verhaftet, das uns der Friedenssicherung in Europa keinen Schritt näher bringen wird. Im Gegenteil.
Denn wer ohne seriöse Plausibilitätsprüfung konstatiert, dass Russland „Europa das Rückgrat brechen“ wolle, handelt nicht nur unwissenschaftlich, sondern schwört auch jedem Versuch ab, mit Russland über dessen Sicherheitsbedenken, Bedrohungsängste und Sicherheitsgarantien zu verhandeln. Trump hat in Anchorage einen bemerkenswerten Entspannungsversuch gestartet, der aber leider von der EU-Ukraine-Allianz nicht aufgegriffen und zu einer neuen Friedensinitiative ausgeformt wurde.
Schlögels Verweis auf die Propaganda, Hassbilder und Kriegshetze im russischen Staatsfernsehen ist insofern einäugig und heuchlerisch, als es derartige propagandistische Auswüchse natürlich auch in westlichen Medien, Talkshows und Parlamenten gibt (Baerbock: „Russland muss ruiniert werden“ von der Leyen u.a.: „Russland muss besiegt werden“, Feuring: „Wir brauchen Waffen, die weit in die Tiefe des russischen Raumes reichen“, Biden: „Putin muss weg“). Auch der leichtfertige Putin-Hitler-Vergleich Schlögels ist alles andere als seriös.
Ausgeblendet wird, dass Russland dem Westen nicht nur ökonomisch (BIP wie Italien), sondern auch militärisch weit unterlegen ist – selbst wenn man nur die europäischen Nato-Staaten betrachtet (Greenpeace-Studie von Anfang 2025). So gesehen ist die Verteidigungsfähigkeit Westeuropas längst gegeben. Zudem ist Russland hochgradig auf den Goodwill Chinas und der Brics-Staaten angewiesen ist, der aber sofort aufhören dürfte, wenn sich Russland mit der EU anlegen würde
Daher ist es dringend an der Zeit, den Friedenspreis des deutschen Buchhandels endlich mal wieder einer Person zu verleihen, die ohne ideologische und geopolitische Scheuklappen Wege zum Frieden erforscht und der längst überfälligen Ausgestaltung einer europäischen Sicherheitsordnung nachgeht. Die anhaltenden Eskapaden und selbstherrlichen Provokationen Trumps zeigen, wie nötig das wäre.
Willi Brandt und Egon Bahr haben vorgemacht, wie Deeskalation gehen kann. Es wäre schön, wenn einer derartigen Friedens- und Entspannungspolitik im Ost-West-Verhältnis neues Leben eingehaucht würde. Denn stabilen Frieden in Europa wird es nicht gegen und auch nicht ohne, sondern nur mit Russland geben! Schlögels Russland-Dämonisierung leisten dieser Friedensoption einen Bärendienst.
Dr. Heinz Klippert