zum Artikel „Endspurt im Schwimmbad“, Montag 8. September 25, S. 19
In wenigen Tagen geht die Badesaison des Jahres 2025 zu Ende und das Wolnzacher Schwimm- und Erlebnisbad schließt seine Pforten. Es ist an der Zeit für eine Hommage. Nach vierzig Jahren in Berlin lässt sich mit Fug und Recht feststellen: Kein Freibad der Hauptstadt kann hier mithalten - und das hat seine Gründe.
Seit einigen Wochen habe ich mich der etwa 20 bis 30 Personen umfassenden Rentnergang angeschlossen, die täglich um 8:55 Uhr mit scharrenden Füßen darauf wartet, eingelassen zu werden. Allein der Blick auf die drei tiptop in Schuss gehaltenen Becken, die hier jungfräulich vor einem liegen, lohnt bereits das frühe Aufstehen. Kurz nach dem Eintritt teilen wir uns auf: Die Schwimmer Richtung Sportbecken, im Spaßbecken wird geplanscht und geratscht und im Warmbecken bei 30 Grad gechillt. Das Ziel meines Freundes Markus und mir ist zunächst das Sportbecken. Leider haben wir es kein einziges Mal geschafft, als Erste dort hineinzuspringen. Dieser Platz gebührt zwei Damen, die hier eine geradezu überirdische Geschwindigkeit an den Tag legen. Da die beiden nicht nur schwimmen, sondern gleichzeitig auch miteinander ratschen und sich dabei auch noch ansehen, haben sie einen dafür geeigneten Doppelschwimmstil entwickelt: Die eine schwimmt auf dem Rücken, die andere schwimmt Brust. Neben diesem ausgefuchsten Kommunikationsschwimmen gibt es auch regelrechte Wunder im Wolnzacher Bad zu beobachten. Beispielsweise vor kurzem eine Frau, geschätzt Mitte achtzig, die sich zeitgleich mit mir Richtung Sportbecken bewegt, um dort, zu meinem absoluten Erstaunen, mit einem gekonnten Hecht ins Wasser zu springen, dann zwei 50m-Runden im perfekten Kraulstil zurückzulegen, anschließend die gleiche Strecke in ebenso professioneller Rückenlage und dann Brust. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie abschließend auch noch einen eleganten Butterfly hingelegt hätte. Leider bin ich nicht mehr dazu gekommen sie zu fragen, ob sie früher mal Wettkampfschwimmerin war, was ich vermute.
Überhaupt, die Frauen! Sie machen zu dieser Badezeit etwa 80 % der Gäste aus, d. h., wir Männer sind in der Minderheit. Vermutlich schlafen Männer lieber länger, was ich der ich mich täglich aus dem Bett quälen muss, durchaus nachvollziehen kann. Im Sportbecken wird zunächst geschwommen was das Zeug hält - alle Stile, alle Geschwindigkeiten, alle virtuellen Bahnen belegt. Anschließend folgt der Wechsel ins Warmbecken. Hier treffen „nach getaner Arbeit“ die verschiedenen Schwimmfraktionen wieder aufeinander, denn jetzt ist Chillen angesagt – Chillen mit Beiprogramm! Letzteres heißt Massage, und da wird es ab 10:00 Uhr langsam eng. Es gibt drei Schwanenhälse, drei Unterwasserdüsen und mehrere Whirlpool-Plätze. Natürlich läuft nicht alles gleichzeitig, sondern nacheinander, deshalb heißt es hier, flink und strategisch zu handeln. Da Frauen Schwanenhälse in der Regel meiden - vermutlich, weil sie ihre Frisur nicht nass machen wollen -, erweist sich der Männermangel in diesem Fall als entscheidender Vorteil. Im Gegensatz dazu allerdings sind die drei Unterwasserdüsen in der Regel schwer umkämpft, sie erfordern Geduld und eine gewisse Wartezeit. Es versteht sich von selbst, dass dieser Wellness Zyklus mit dem Ergattern eines Whirlpool-Platzes dann seinen krönenden Abschluss findet. Derart gerüstet steigt man gegen 10:30 Uhr aus dem Wasser und dann, ja dann… - kann kommen, was will. Es lebe das Wolnzacher Schwimmbad!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans Geißlinger
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