in Deutschland wird angesichts des in den kommenden Jahren drohenden Finanzierungsdefizits der Rentenversicherung ein künftiges Renteneintrittsalter mit 70 oder sogar erst mit 75 Jahren diskutiert.
Dem Staat käme es zugute, um die Rentenkasse vor dem Zusammenbruch zu bewahren, wenn die Beschäftigten von der Baustelle oder vom Bürostuhl direkt in die „Grube“ fallen würden.
Viele Arbeitnehmer unterliegen noch immer der irrigen Annahme, dass sie die eingezahlten Rentenbeiträge, ähnlich einem Deckungsvermögen, später ausbezahlt bekommen.
Die gesetzliche Rentenversicherung wird durch das Umlageverfahren finanziert. Dabei decken die aktuellen Einnahmen die laufenden Rentenzahlungen und sonstigen Ausgaben. Dafür erwerben die jetzigen Beitragszahler lediglich den Anspruch, später selbst eine Rente zu erhalten, die dann von der nachkommenden Generation finanziert werden sollte.
Doch dieser Generationenvertrag weist mittlerweile gewaltige Bruchstellen auf.
Obwohl die sogenannten Baby-Boomer noch in Lohn und Brot stehen, hat die gesetzliche Rente in Deutschland bereits jetzt ein Geldproblem.
Die Beitragszahler bringen wesentlich weniger in die Kasse als Ruheständler jeden Monat aufs Konto bekommen.
Das Finanzloch wird sich in den kommenden Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand wechseln, deutlich ausweiten.
Aufgrund des Geburtenrückgangs müssen immer weniger Beitragszahler künftig für immer mehr Rentenbezieher aufkommen.
Ob die „letzte Generation“ sich diese schwere finanzielle Last künftig aufbürdet wage ich zu bezweifeln.
Höchst bedenklich ist, dass viele Stellen und Ausbildungsplätze mangels ausreichender Grundqualifikationen von (Haupt-) Schulabgängern nicht besetzt werden können.
Somit produzieren die Schulen die fehlenden Beitragszahler von morgen.
Nicht nur das Rentensystem, sondern auch das System der Grund- und Hauptschulen befindet sich in Deutschland in einer existenziellen Krise.
In Deutschland kriselt es an allen Ecken und Enden.
Auf „Weltniveau“ befindet sich das Land lediglich in der Schönfärberei.
Solange die elementaren Probleme dieses Landes von Gesellschaft und Politik nicht akzeptiert werden, ist keine Besserung zu erwarten.
Das Rentensystem ist nur deshalb noch nicht kollabiert, weil der Steuerzahler mit Riesenbeträgen die Kasse (noch) füllt.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in seinem Rentenversicherungsbericht ermittelt, dass die Leistungen des Bundes jährlich rund 100 Milliarden Euro betragen.
Ohne diese kräftige Finanzspritze wäre das gesetzliche Rentensystem bereits tot.
Nicht auszudenken, wenn aufgrund einer möglichen Wirtschaftskrise auch noch die Steuereinnahmen wegbrechen sollten.
Eine schnelle Lösung des Rentenproblems ist nicht realisierbar.
Aber es müssen alle denkbaren Lösungsansätze auf den Tisch. Und es darf dabei keine Tabus geben.
Ansonsten ist die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung tiefschwarz.
Immer nur die Lebensarbeitszeit zu verlängern ist keine nachhaltige Lösung, zumal Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern ohnehin bereits ein relativ hohes Renteneintrittsniveau besitzt.
Die Menschen werden aufgrund der guten gesundheitlichen Versorgung zwar immer älter.
Das bedeutet aber nicht, dass ein heute 65-jähriger belastbarer ist als ein Gleichaltriger vor 40 Jahren.
Die Arbeitsverdichtung und die damit einhergehenden physischen und psychischen Belastungen haben in den vergangenen rund 20 Jahren deutlich zugenommen.
Depressionen sind zu einer Volkskrankheit geworden.
Viele Arbeitnehmer würden gerne länger arbeiten, können aber nicht mehr.
Auch weil sie nach teilweise mehr als 40 Berufsjahren aufgrund der bestehenden Bedingungen ausgebrannt sind und ihnen die Freude an ihrem Beruf nicht zuletzt durch eine überbordende Regulierungswut genommen wird.
Die Bürokratie boomt in Deutschland.
Hierzulande schießen die Bürokraten mit Kanonen auf Spatzen.
Davon können etliche Branchen ein trauriges Lied singen.
Viele verstehen die teilweise nicht nachvollziehbaren Regularien schlichtweg nicht mehr.
Klare Regeln sind enorm wichtig.
Aber der Staat sollte Unternehmen und Bürgern nach den „Mutti-Jahren“ wieder mehr Eigenverantwortung zutrauen und vor allem das langjährige Versprechen, die Bürokratie deutlich abzubauen, endlich einlösen.
Dann macht die Arbeit vielleicht auch noch mit 70 Spaß.
Gut ausgebildete Hochschulabsolventen zieht es statt in die freie Wirtschaft in die Amtsstuben mit einer später staatlich garantierten Pension.
Diese Fehlentwicklung sollte die Politik eigentlich gegen steuern.
Doch das Gegenteil ist der Fall.
Der Staat wirbt massiv um Beamtenanwärter.
Seit Jahrzehnten ist der Politik das Problem der gesetzlichen Rentenversicherung bewusst.
Doch um eine Reform, die ihren Namen wirklich verdient, hat man sich stets gedrückt.
Das politische Motto hieß stattdessen: Weiter so!.
Vor wichtigen Wahlen wurden regelmäßig Wahlgeschenke in Form von kräftigen Rentenerhöhungen oder der Rente mit 63 verteilt.
Eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ist unabdingbar.
Hoffentlich ist es nicht bereits zu spät.
Freundliche Grüße
Alfred Kastner