Sehr geehrte Damen und Herren,
eigentlich lohnt es sich nicht, das erneut höchst blamable Abschneiden einer deutschen Herren-Fußballnationalmannschaft bei einem wichtigen Turnier zu kommentieren bzw. dafür Strom durch das Einschalten des PCs zu verschwenden.
Eine wichtige Erkenntnis vorweg: Deutschland ist keine Herren-Fußballnation, geschweige denn eine Turniermannschaft mehr.
Deutschland bewegt sich in Richtung Drittklassigkeit.
Nicht nur beim Herren-Fußball.
Junge Menschen, die in vier Jahren ihr zwölftes Lebensjahr erreichen werden, haben noch keine deutsche Herren-Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft die Vorrunde überstehen sehen.
Als ich zwölf war, war Deutschland Welt- und Europameister und der FC Bayern gewann gerade die heutige Champions-League.
Natürlich werden auch jetzt wieder die Berufsoptimisten versuchen, das Debakel schön zu reden.
Genauso wie es für sie reine „Formsache“ war, dass Deutschland ins Achtelfinale gelangt, weil Spanien die Japaner „sowieso“ schlägt.
Und außerdem: Wer außer Deutschland kann schon Weltmeister werden?
Dieser völlig unbegründete „Spaß-Optimismus“ ist einer der Gründe, warum dieses Land, nicht nur beim Herren-Fußball, schwer erkrankt ist.
„Die Welt geht unter, aber Hauptsache man hat Spaß und Vergnügen dabei“.
Natürlich will für diesen deutschen Fußball-GAU einmal mehr niemand verantwortlich sein.
Der Bundestrainer Hansi Flick schon gleich gar nicht. Er „sieht für sich keinen Grund zurückzutreten“.
Es ist für mich nicht verständlich, dass die Nationalspieler des FC Bayern in der Bundesliga und in der Champions League glänzend spielen, in der Nationalelf jedoch regelmäßig, vor allem wegen mangelnden Engagements, versagen.
Woran liegt das?
Am Geld, weil in der Nationalmannschaft nicht soviel verdient wird wie im Vereinsfußball?
Oder vielleicht doch in der Person des Bundestrainers, der offensichtlich nicht in der Lage ist, die Nationalelf richtig einzustellen und zu motivieren.
Denn hätte die „Mannschaft“ ihre Chancen gegen Japan und Costa Rica mit mehr Konzentration genutzt, wäre Deutschland heute im WM-Fieber.
Es ist eine Sache der Einstellung. und nicht nur der viel beschworene fehlende Mittelstürmer, den es seit Jahren eigentlich gar nicht mehr gibt.
Das fehlende Engagement einiger Spieler in der Nationalmannschaft gibt zu denken und sollte offen debattiert werden.
Aber nicht nur Hansi Flick sollte seinen Trainerstuhl räumen.
Manuel Neuer wird als einer der weltbesten Torhüter in die Geschichte eingehen.
Aber Neuer sah bei diesem Turnier einige Male richtig „alt“ aus.
Als Kapitän ist er kein Rückhalt für die "Mannschaft".
Viel zu leise und zu schüchtern in seinen Aussagen.
Neuer steht wie Thomas Müller für die vorerst letzte große Blüte des deutschen Herren-Fußballs.
Er sollte wie Müller die Zeichen der Zeit erkennen und aufhören.
Häufig wird die deutsche Herren-Nationalmannschaft mit der gesellschaftspolitischen Entwicklung verglichen.
Nie war der Vergleich zutreffender wie heute.
Elf Fußballer, die sich den Mund zu halten. stehen symbolisch für eine ganze Nation.
„Man“ realisiert zwar, dass vieles in diesem Land schiefläuft, spricht hinter vorgehaltener Hand darüber, aber „man“ wagt es aus Bequemlichkeit, Angst oder schlichtweg aus Feigheit nicht, darüber offen zu reden und zu diskutieren.
Zumal eine fundamentale politische Minderheit vorgibt, was der "Normalbürger" zu denken hat.
Genau daran liegt auch das Problem des deutschen Herren-Fußballs.
Paul Breitner, Mario Basler, Stefan Effenberg oder Lothar Matthäus waren noch echte "Typen", die sich den Mund nicht verbieten ließen und ihre Meinung mutig äußerten.
Im Übrigen:
In Liverpool läuft gerade ein hochgeschätzter und begnadeter Trainer und Motivator in die Zielgeraden ein.
Dieser ist unter anderem für seinen Mut und dafür bekannt, im richtigen Moment Klartext zu reden.
Solche Leute braucht nicht nur die Herren-Fußball-Nationalmannschaft.
Heute dringender denn je!
Freundliche Grüße
Alfred Kastner