Sehr geehrte Damen und Herren,
der "Ödipuskomplex" ist eine Theorie aus der Psychologie, wonach männliche Kleinkinder während einer im Normalfall vorübergehenden Phase sich stark zu ihrer Mutter hingezogen fühlen.
Der "Ödipuskomplex" der Union gegenüber ihrer "Übermutti" Angela Merkel hält nun bereits mehr als 20 Jahre an.
Wer gehofft hatte, dass die CDU nach dem Rückzug Merkels einen Neuanfang, der diesen Namen auch verdient, wagen und die Ära Merkel kritisch und ohne Tabus aufarbeiten würde, sieht sich ge- und enttäuscht.
Stattdessen lässt die Union die Jahre zwischen 2005 und 2021 in einem strahlenden Licht erscheinen, damit nur kein Schatten auf das Andenken ihrer "grossen Anführerin" fällt.
Die jüngste Äußerung von Jens Spahn, dass die Ampelkoalition "das Wohlstands-Erbe von Angela Merkel verspiele" bestätigt diese These.
Von welchem Erbe spricht Herr Spahn?
Von der in der Kanzlerschaft Merkels zementierten hohen Abhängigkeit vom russischen Gas, die schlimmstenfalls unserer Wirtschaft den Garaus machen kann?
Merkel hat Nordstream 2 durchgewunken, obwohl Putin nur zwei Jahre zuvor die Krim völkerrechtswidrig annektiert und damit der Weltgemeinschaft seinen ausgestreckten Mittelfinger gezeigt hatte.
Merkel weiss heute auch hinsichtlich dieser Entscheidung nicht, "was sie anders hätte machen sollen".
Sie schwebt ganz offensichtlich in Sphären, die ein Normalbürger nie erreichen wird.
Meint Spahn die Verteidigungsfähigkeit unserer Bundeswehr, die in Merkels Amtszeiten regelrecht "kastriert" worden ist, was sich nun bitter rächt?
Oder von der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, die es in dieser Form "vor Merkel" nicht gegeben hat?
Wenn Frankreich in einigen Jahren dem Rechtspopulismus eine Mehrheit verschafft, was zu befürchten ist, dann ist es vorbei mir der EU und der gemeinsamen Währung.
Nicht nur Franzosen, sondern auch Bürger anderer EU-Länder beklagen das jahrelange deutsche "Diktat" unter Merkel.
Bei Ihnen verstärkte sich der Eindruck, dass sie "nach dem deutschen Wesen genesen" sollen.
Wenn andere, auch Nicht EU-Länder, nicht parieren wollten, liess Merkel auch schon mal ihren Finanzminister ankündigen, notfalls "die Kavallerie" zu entsenden.
Die stolzen Briten waren konsequent und haben die "Merkel-EU" verlassen.
Unter keiner anderen Kanzlerschaft in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat sich die Schere zwischen Arm und Reich soweit geöffnet wie unter Merkel.
Die Mittelschicht erodiert aufgrund der zunehmenden finanziellen Belastungen.
Die Familienpolitik der vergangenen Jahre verdient ihre Bezeichnung nicht.
Sie ist schlichtweg desaströs.
Alleinerziehende und arbeitende Mütter werden in diesem Land gesellschaftspolitisch im Stich gelassen.
Das ist nur eine sehr kleine Auswahl der sachlichen Kritikpunkte an den Kanzlerschaften Merkels.
Wenn man jedoch aktuell die Online-Nachrichten verfolgt, dann überschlagen sich manche Redaktionen regelrecht mit Hommagen an Angela Merkel.
Was in gewisser Weise auch verständlich ist.
Denn in einem Land, das ansonsten wenig außergewöhnliches zu bieten hat, beim Eurovision Song Contest regelmäßig Prügel bezieht, deren Profifußballer im Vergleich zu England spielen wie "eine Flasche leer" (von dem diesjährigen Strohfeuer in der Europa-League einmal abgesehen) und dessen ursprünglich weltweit hoch geschätzte Innovationskraft in den vergangenen Jahren geradezu verstümmelt ist, war jeder nationalbewusste Deutsche froh und stolz, in einem Land "gut und gerne leben zu dürfen", in dem die "mächtigste Frau der Welt" regiert.
Dieser Slogan wurde im Übrigen von einer großen US-Zeitung geschaffen bei der es sich lohnt, einen Blick hinter die Eigentümerverhältnisse zu werfen.
Wenn er häufig genug öffentlich proklamiert wird, glaubt ihn irgendwann der letzte unkritische Bürger.
Öffentliche Kritik an Merkel ist in Deutschland verpönt.
Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr.
Die Taktik der Union ist so simpel wie durchschaubar.
Mit der anhaltend hohen Popularität Merkels in der Bevölkerung möchte man Stimmung gegen die Bundesregierung machen.
Dabei agiert die Regierung unter Bundeskanzler Scholz angesichts des schweren Merkel-Erbes und der aktuellen historischen Entwicklungen gar nicht mal so schlecht.
Ich bin eigentlich ein überzeugter Anhänger der Union, warte jedoch sehnsüchtig auf die Generation nach Merkel, Merz, Spahn & Co.
Friedrich Merz hat vor Jahren als Fraktionsvorsitzender der Union gegenüber Merkel "den Schwanz eingezogen" und sich vom Acker gemacht, weil Merkel ihn loswerden wollte.
Das ausserordentliche Machtbewusstsein Merkels wird in jedem Fall in die Geschichtsbücher eingehen.
Die leicht durchschaubare Absicht von Friedrich Merz besteht nun darin, insbesondere Bundeskanzler Scholz zu diskreditieren.
Er geriert sich derzeit als der "Franz-Josef Strauß für Arme".
Strauss liess in den 1980er-Jahren ebenfalls kaum eine Gelegenheit ungenutzt, Helmut Kohl, den er für unfähig hielt, aussenpolitisch vorzuführen.
Am Ende war Kohl der Kanzler der Einheit.
Friedrich Merz sieht seine Kanzlerambitionsfelle davonschwimmen.
Seine letzte Chance besteht darin, die Ampel zu sprengen.
Merz hat in seiner politischen Karriere stets versagt, wenn es darauf ankam.
Wollen die Bürger tatsächlich einen solchen Bundeskanzler?
Ich bin überzeugt, dass unsere Enkel, wenn das letzte bundespolitische Silber verscherbelt ist, uns kritische Fragen zur Merkel-Ära, aber auch zur Merkel-Union, stellen werden, in der das Wohlstands-Erbe, das frühere Regierungen aufgebaut hatten, leichtfertig verspielt wurde.
Ich "habe fertig".
Mit Merkel schon lange.
Freundliche Grüße
Alfred Kastner
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