Die Fußballspiele der Europameisterschaft werfen bei mir die Frage auf:
Wird hier ein Religionsersatz gespielt? Wird hier ein halb religiöses Fest zelebriert, kommen hier die Fans zu einer Art pseudoreligiöser Zelebration zusammen? Feiern sie ihre Heiligen? Brauchen die Menschen, wenn sie nicht gemeinsam den Schöpfer des Himmels und der Erde anbeten, einen anderen Gott? Müssen sie sich hinwerfen, umarmen, küssen im Taumel der Anbetung? Ist das Stadion der Ort des gemeinsamen Über-sich-Hinauswachsens?
Ich möchte den Fußballfreunden die Freude am guten Spiel nicht verderben. Es ist auch für mich eine Lust, den Spielern zuzusehen, wie sie geschickt und mit äußerstem Einsatz um den Ball kämpfen. Ich freue mich an der Spannung.
Freilich denke ich manchmal: Warum freuen wir Deutsche uns nicht auch, wenn ein kleines, vielleicht armes Land weit vorankommt. Wenn Slowenien oder die Ukraine mal Europameister würden?
Und dann das Geld? Die Werbung an den Rändern des Spielfeldes. Nur wenn große Firmen Werbung machen dürfen, kann das große Spiel stattfinden. Es kostet ja sehr viel Geld.
Geht es im Fußball nur um eine Werbeveranstaltung großer Firmen? Ist es Sport oder Firmen-Werbung oder Religion.
Bei einem der letzten Spiele schaffte es Jogi Löw auf die Titelseite einer seriösen Zeitung. Ist er der Held einer Schlacht, in dem das eigene Volk ein anderes geschlagen hat? Ist er Napoleon?
Wer sind unsere Heiligen? Was würden die „Märtyrer“ der Hitlerzeit sagen, die ihr Leben gaben, um den Verführer Adolf zu beseitigen. Könnten sie sich einfach im Stadion mitfreuen, oder würden sie wie ich manchmal die Stirn runzeln.
Ich wünsche mir einen Sport, der möglichst unabhängig ist vom Geld, der den persönlichen Einsatz zeigt, die persönliche Selbstüberschreitung, einen Sport, der nur Sport ist und nicht Show, Liturgie und Religionsersatz.
Eberhard Gemmingen SJ
Im Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit