Seit einem Jahr denke ich verstärkt über die Frage nach:
Wie wollen wir in Zukunft leben?
Dabei verstehe ich unter „Wir“ die Menschen in Deutschland, Europa und der Welt;
unter „Zukunft“ verstehe ich die nächsten 100 Jahre,
und unter „“leben“ verstehe ich gesellschaftliche Strukturen, Gemeinschaften, Regeln und Gesetze.
Die Coronakrise hat mir sehr deutlich gezeigt, dass die bestehende repräsentative Demokratie nicht mehr so funktioniert, dass sie zum Wohle der Menschen agiert. Ich habe nicht mehr den Eindruck, dass die nationale und europäische Politik es gut mit uns meint. Mein Vertrauen in Politik und Verwaltung ist verloren gegangen. Zu tief sind die Verstrickungen mit den Mega-Konzernen und deren Lobbyisten, außerdem herrscht ein überzogenes Sicherheitsdenken aus Angst vor Verantwortung und freier Selbstbestimmung (vergl. B. Palmer: Erst die Fakten, dann die Moral, Kapitel 5 „Der dt. Sicherheitswahn, ...“ ). Ich erlebe Politiker überwiegend als Erfüllungsgehilfen der Konzerne der und eigenen Machtinteressen verbunden mit persönlicher Vorteilsnahme (s. Jens Spahn). Am wenigsten wünschenswert sind mir Systeme wie das chinesische Staatsmodell mit einer autokratischen Führung, maximaler, digitaler Kontrolle der Bürger mit drastischen Erziehungsmaßnahmen und Sanktionen, bar jeder Freiheit und Eigenverantwortung.
Vor gut einem Jahr schien mir das unendlich weit weg, heute ist es unangenehm nah gekommen. Dieses Modell scheint aber Klaus Schwab, Vorsitzender des WEF und Autor des Buches „The great reset“ vorzuschweben.
Deshalb frage ich mich: Wie kann es anders gehen? Wie können die Interessen und das Wohl des Volkes, des Souveräns wirklich berücksichtigt werden? Ich glaube, der Mensch ist im Grunde gut, aber Macht korrumpiert und lässt Mitgefühl und Empathie verkümmern (vergl. Rutger Bregmann: „Im Grunde gut“).
In jedem Fall scheint es mir ein guter Weg zu sein, wieder kleine, politische Einheiten zu bilden, in denen mehr Eigenverantwortung und Mitbestimmung über direkte Demokratie möglich ist. Ein Staat wie Deutschland erscheint mir dafür schon zu groß. Einheiten bis ca. 10 Millionen Menschen scheinen mir dafür groß genug, siehe Luxemburg, Island, Schweiz.
Auf der anderen Seite haben wir die großen globalen Herausforderungen:
die atomare (Atomwaffen und Kernkraftwerke), die ökologische (Klimawandel, Artensterben, Umweltzerstörung) und die technologische (künstliche Intelligenz, Gentechnik, Robotik, Cyborg) Herausforderung. Dafür bedarf es weltweiter Zusammenarbeit der Spezies Homo Sapiens (vergl. Yuval Noah Harari - 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, Kapitel 7 „Nationalismus, Globale Probleme verlangen globale Antworten“). Wie das ohne die Beherrschung Aller durch die Machtansprüche großer Staaten und Weltkonzerne funktionieren kann, erkenne ich noch nicht.
Es gibt nach meiner Beobachtung schon viele interessante Ansätze, wie z.B. die Gemeinwohl-Ökonomie als ein Beispiel für ein postkapitalistisches Wirtschaftssystem. Auf den Kapitalismus wird vermutlich ein anderes Weltmodell folgen. Nach meiner Einschätzung befinden wir uns am Beginn eines solchen Wandels. Stützen wir uns dabei auf das liberale Weltbild?
Für eine offene, faire und wertschätzende Diskussion stehe ich gerne zur Verfügung - auch außerhalb der Zeitung.