Spiegel Artikel "Der Shutdown-Flop" Heft Nr. 51 vom 12.12.2020
Warum Deutschland im Corona-Winter so kläglich versagt hat.
Mein Kommentar versucht den Blick auf das zu lenken, was nicht nur der Spiegel ständig ausblendet.
Der Spiegel bemüht sich das Versagen der Politik zu erklären. Doch es fehlt, wie übrigens in fast allen Presseorganen, das Versagen der Kommunalpolitik.
Die Kommunalpolitik bzw. die Landratsämter haben es versäumt, die Gesundheitsämter rechtzeitig und ausreichend mit Personal für die Nachverfolgung auszustatten.
Deutlich wird dieses Versagen nur dort, wo Kommunalpolitiker die Arbeit der Gesundheitsämter anprangern. Doch wo tun sie das und wieso tun sie das so selten?
Sie tun das eben nur dort, wo sie nicht unmittelbar verantwortlich sind für deren Arbeitsweise. Dies trifft z.B. für Ludwigshafen zu, wo die Stadtverwaltung mit der Kontaktnachverfolgung durch das regional zuständige Gesundheitsamt des Rhein-Pfalz-Kreises unzufrieden ist. In Mannheim dagegen, einem Hotspot über dem Rhein, fallen dem Oberbürgermeister und der lokalen Presse keine Mängel oder Handlungsbedarf in der Nachverfolgung auf.
Die Entwicklung der Fallzahlen zeigte seit langem einen Effekt, der bisher nirgends in der Welt so zu beobachten war und somit genug Anlass hätte sein müssen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die sog. statistische Plateau-Bildung hatte spätestens in der Mitte des Novembers begonnen und wurde aus meiner Sicht durch den massiven Bundeswehreinsatz bei der Nachverfolgung erreicht. Verspielt wurde danach die Chance die Gesundheitsämter nochmals zusätzlich massiv mit Personal auszustatten.
Im Gegenteil, statt hier mehr zu tun, wurde das Mantra von der Sinnlosigkeit der Nachverfolgung bei hohen Inzidenzwerten von Kommunalpolitikern und der mit ihr verlinkten Presse propagiert. Wie sonst ist es zu verstehen, dass vor einer Woche 60 von 300 Gesundheitsämtern "Land unter" gemeldet haben. Mehr Personal haben sie nicht gefordert. Und kein Kommunalpolitiker/Landrat ist auf die Idee gekommen, aus allen möglichen Quellen Personal zu rekrutieren.
Der Spiegel schreibt richtigerweise im letzten Absatz seiner ansonsten schwachen Analyse:
"Wo die Politik ausfällt, müssen das andere kompensieren. Vor einigen Tagen startete das Klinikum Niederlausitz …. wegen akuten Personalmangels einen Hilferuf. Das Echo sei "überwältigend" gewesen …. Rund 90 Freiwillige hätten sich bereits gemeldet."
Ehrenamtliche Freiwillige für die Nachverfolgung wären wohl in ähnlicher Weise zu gewinnen gewesen, wenn man nicht stattdessen einfach den Kampf gegen das Virus als ineffizient bezeichnet und damit letztlich aufgegeben hätte.
Das RKI hat in seinen Empfehlungen zum Kontaktpersonenmanagement je nach der Art der Kontakte von einem guten bis sehr gutes präventives Potenzial der Nachverfolgung gesprochen. Dies kann ja nicht nur für angenehme Fallzahlen gelten.
Das Gesundheitsamt Mannheim (Inzidenz zur Zeit ca. 238) lässt dagegen in der lokalen Presse verkünden, man sei „einfach an einem Punkt, an dem sich Kontaktketten nicht mehr nachverfolgen lassen, egal, mit wie viel Personal“ (MM vom 30. 11.20). Notiz am Rande: Meine Bewerbung um eine ehrenamtliche Aufgabe in der Nachverfolgung liegt der Mannheimer Verwaltung seit 14 Tagen vor.
Ist der Verdacht so abwegig, dass diese weitverbreitete Haltung ein Grund von mehreren sein könnte, der für den Anstieg der Fallzahlen - über das Plateau hinaus -verantwortlich ist?
Insgesamt vermisse ich eine kritische und glaubwürdige Berichterstattung zum Thema Nachverfolgung. Dagegen wird täglich in der Presse und in Talk-Shows moralisiert was das Zeug hält.
Die häufig zitierten Philosophen Kant und Hegel würden sich vermutlich im Grab umdrehen, wenn sie Zeitung lesen könnten.
Immer neue Härten, mögen sie auch von einer Mehrheit gefordert werden, lösen die Probleme nicht auf Dauer, wie wir in vielen westlichen Ländern beobachten konnten.
In einer Krise ist die ganze Gesellschaft gefordert außergewöhnlich zu handeln. Die Bürger aufzufordern nichts zu tun, um Kontakte zu vermeiden und sie permanent zu belehren kann schon gar nicht die Aufgabe derer sein, die hier so unzureichend agieren.
Die Kommunalpolitik sollte nicht auf die Bundes- und Landespolitik warten und über den Tag hinausdenken. Nach dem Lockdown - so notwendig er sein mag - ist vermutlich trotz Impferfolgen vor dem nächsten Lockdown, wenn nicht besser als heute gehandelt wird.