Der Jahreswechsel bietet sich an für Überlegungen zu zwei Fragen:“Woher kommen wir?“ und „Wohin gehen wir?“Auf die erste Frage kann man mit einer Bilanzziehung antworten, auf die zweite Frage mit einem Achselzucken. Besser wäre es, die zweite Frage zu ersetzen durch eine andere, nämlich: „Wohin wollen wir gehen?“ Die Macht – und Geldeliten, die gesättigt sind, wollen natürlich, dass alles beim Alten bleibt. Sie sind an der zweiten Frage nicht interessiert. Je mehr der Mensch leidet, desto intensiver sehnt er sich jedoch nach einer Veränderung. Die Mehrzahl aller Menschen leidet. Ihr Streben nach Veränderung wird aber unterdrückt durch die Macht der Mächtigen. Benachteiligt sind die weniger Mächtigen. Benachteiligt sind die weniger Gebildeten. Benachteiligt sind diejenigen, die keine Lobby in den Parlamenten haben. Benachteiligt sind diejenigen, die keine Lobby bei den Regierungen haben. Die Beantwortung der Frage:“Wohin wollen wir gehen?“ hängt von den Mächtigen ab, und die Ohnmächtigen schauen zu. Wenn wir das Weltsystem nicht verändern, wird die Spannung zwischen denen, die alles so lassen wollen, wie es ist, und denen, die den ewigen Traum von der Weltrevolution träumen, die alles verbessert, zum Dauerzustand in der Weltgeschichte. Was ist zu tun? Die UNO, die man als Erste Kammer der Menschheit bezeichnen kann, ist eine Versammlung der Regierenden, der Machthaber. Alle Entscheidungen, die dort getroffen werden, dienen in erster Linie der Machterhaltung oder Machtmehrung. Es ist zweitrangig, ob sie auch dem Wohle der Regierten dienen. Das kann sein, muss aber nicht sein.Eine Zweite Kammer der Menschheit, eine Versammlung der Regierten, ein Parlament, existiert nicht. Dafür gibt es sechzig Millionen Flüchtlinge. Hätte es seit der Gründung der UNO ein Weltparlament gegeben, würde es wahrscheinlich keine Flüchtlinge geben – wie es wahrscheinlich auch keine Kriege gegeben hätte, deren Abschaffung bereits in der Präambel der Charta der Vereinten Nationen beschlossen worden ist – was von dem ewigen Bündnis zwischen Macht und Profit erfolgreich verhindert worden ist. Was fehlt, ist ein Weltparlament, das aber nicht in Parteien aufgeteilt ist, sondern in gesellschaftliche Schichten, ein Parlament, in welchem z.B. Flüchtlinge, Arme, die verschiedenen Rassen und seit alters her diskriminierte Gruppen wie die Paria, die Sinti und die Roma eine Stimme haben. Die Entscheidungsalternativen zur Lösung von Problemen oder Konflikten, über die ein solches Parlament abstimmt, sollten im Brainstorming - Verfahren formuliert werden. Eine Parteidisziplin darf es nicht geben, weil sie nicht der Problemlösung, sondern dem Machterhalt dient. Der Weltsicherheitsrat der UNO, zurzeit eine Diktatur, sollte künftig alle fünf Jahre durch Neuwahlen neu besetzt werden. Schließlich sollte über der politischen Ordnung der Welt ein „Rat der Weisen“ thronen mit – z.B. – einem indischen Philosophen als Vorsitzenden, der eingreift und durchgreift, wenn ein Konflikt zum Kriege heranreift, und einen Schiedsspruch fällt, dem sich die Konfliktparteien unterzuordnen haben, so dass Kriege künftig überflüssig werden, wie die Regierungen der Welt es ihren Völkern schon 1945 in der Präambel zur Charta der Vereinten Nationen mit dem Gelübde versprochen haben : Wir sind entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren! Sieben Milliarden Menschen richten zum Jahreswechsel 2015/2016 an die UNO-Generalversammlung die Frage: "Weshalb seid ihr damit nach 70 Jahren immer noch nicht „zu Potte“ gekommen? Weshalb habt ihr das Gegenteil von dem getan, was ihr versprochen habt ? Ihr habt die Wirksamkeit der Geißel des Krieges erhöht statt sie abzuschaffen! Ihr habt die Hoffnung der Menschheit auf ein besseres Zeitalter nach 1945 zerstört! Geht mit dem Klimavertrag besser um als mit der Charta der Vereinten Nationen, aber bedenkt, dass Ihr die Welt nicht retten werdet, wenn ihr mit der Erfüllung des Klimavertrages nicht gleichzeitig die Kriege abschafft! Wahrscheinlich bedarf es noch eines gehörigen Druckes aus der Tiefe der Menschheit, um der „edlen Versammlung“ in New York sowohl die erforderliche Arbeitsintensität als auch die erforderliche Arbeitsgeschwindigkeit zu verleihen, die benötigt werden, um das der Menschheit vor 70 Jahren gegebene Versprechen nunmehr endlich einzulösen! Otfried Schrot
Überlegungen zum Jahreswechsel 2015 - 2016
- von Otfried Schrot
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