Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
ich gratuliere Ihnen zu Ihrer öffentlichen Erklärung „Wir werden noch viele retten müssen“. Sie führen mit dieser Erklärung die deutsche Nation auf den Weg einer Vorbildnation für die Welt, was umso gebotener ist, weil Deutschland der Welt im 20. Jahrhundert drei Mal nicht nur mit schlechtem, sondern mit bösem Beispiel vorangegangen ist. Es spricht nicht nur für Ihr moralisches, sondern auch für Ihr historisches Verantwortungsbewusstsein, im Angesicht des Flüchtlingselends auf dem Mittelmeer das Element der politischen Moral in die deutsche Politik einzubringen. Politik ohne Moral ist wie Brot ohne Butter. Unser mächtigster Verbündeter hat es noch nicht begriffen. Bevor Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, der Bundeswehr weitere Aufträge erteilen, andere Brandherde in der Welt zu löschen, rege ich an, Ihr Ministerium zu beauftragen, die Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:
1.Wer ist der Verursacher des jeweiligen Brandes?
2.Wer füttert den Brandherd mit Waffenlieferungen?
3.Wer finanziert die Waffenlieferungen?
4.Wer profitiert von dem Brand?
5.Wer ist mit Blick auf Artikel 24 der Charta der Vereinten Nationen in noch höherem Maße als Deutschland verpflichtet,den jeweiligen Brandherd zu löschen?
Frau Ministerin, wenn wir wollen, dass auf diesem Planeten etwas besser werden soll, dann müssen wir danach streben,
1.die Anzahl der auf der Welt zirkulierenden Waffen zu verringern,
2.die Waffenexporte der größten Waffenexporteure der Welt, zu denen auch Deutschland gehört, auf „Null“ zu reduzieren.
Je mehr Waffen die USA, Russland, China und Deutschland exportieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass immer mehr Warlords in die Lage versetzt werden, Kriege zu führen. Diese Kriege erzeugen soziales Elend, welches wiederum Flüchtlingsströme produziert, die sich die wohlhabenden Länder zum Ziele nehmen, zu denen auch Deutschland gehört. Diese Flüchtlingsströme werden in dem Maße zunehmen wie die Anzahl der Kriege.
Die USA, Russland und China, obwohl die größten Waffenexporteure der Welt und damit die größten Kriegsverursacher, nehmen überhaupt keine Flüchtlinge auf, und niemand protestiert dagegen. Da gibt es politischen Handlungsbedarf, Frau Ministerin!
Deutschland wird auf Dauer auch mit der ausgefeiltesten Willkommenskultur nicht verhindern können, dass es bei der Kollision von Flüchtlingen mit Einheimischen soziale Unruhen in immer größerem Ausmaße geben wird. Sie wollen der zunehmenden globalen Unruhe mit einer Erhöhung der Rüstungsausgaben begegnen. Ich widerspreche Ihnen: veranlassen Sie erst einmal eine Reduzierung der deutschen Waffenexporte! Keine Nichtweiterverbreitungserklärung der Empfänger deutscher Rüstungsgüter wird verhindern können, dass deutsche Waffen früher oder später in die Hände des Terrors fallen. Papier ist geduldig, und Bestechungsgelder sind mächtig.
Möge es Ihnen erspart bleiben, Frau Ministerin, eines Tages vor die Fernsehkameras mit der Erklärung treten zu müssen, dass deutsche Soldaten auf einem Auslandseinsatz von in Deutschland produzierten Waffen getötet worden sind! Dann könnte sich der Stuhl, auf dem Sie sitzen, in einen Schleudersitz verwandeln! Sie sind zu sympathisch, als dass man Ihnen dieses wünschen möchte.
Offener Brief an die Bundesministerin der Verteidigung
- von Otfried Schrot
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