Appell 1
Herr Präsident Obama,
Sir Peter Ustinov hat gesagt: „Der Krieg ist der Terrorismus der Reichen, der Terrorismus ist der Krieg der
Armen.“ Der Leserbriefschreiber hat keine einzige Stimme aus den USA vernommen, die sich die Frage gestellt hat:“Was
haben wir im Umgang mit der Welt falsch gemacht, dass uns der 11. September 2001 passiert ist?"
Auf der amerikanischen Gesellschaft liegt ein Fluch. Nach dem Glauben an Gott und dem Glauben an die Familie kommt –
seit der Ausrottung der Indianer – der Glaube an die Waffe – und an die guten Geschäfte mit der Waffe. Die
amerikanische Gesellschaft ist von dem tiefen Glauben durchdrungen, dass man mit der Waffe in der Hand alle Probleme
auf dieser Welt lösen kann. Selbst geradezu groteske Familientragödien können die amerikanischen
Gesetzgeber nicht dazu veranlassen, die Waffengesetzgebung grundlegend zu ändern. Wie im Innern so im
Äußeren. Der unter Führung der USA, gestützt auf die Lüge von den nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen
Saddam Husseins und auf eine „Koalition der Willfährigen“, durchgeführte Dritte Golfkrieg vom 20. März 2003 bis 1. Mai
2003 mit geschätzten 600 000 Toten, war eines der größten Verbrechen im noch jungen Jahrhundert. Der
Kriegsverbrecher George W. Bush hat sich bis heute vor keinem Gericht verantworten müssen. Wie wir wissen, wurde
nach dem Sturz Saddams Husseins nichts besser, im Gegenteil, im Irak öffnete die Hölle ihre Pforten. Das Land versank in
einer Blutorgie. Was lernen wir daraus – nicht aber amerikanische Präsidenten? Wenn die Großen nicht mit gutem
Beispiel vorangehen, werden die Kleinen nicht mit gutem Beispiel folgen.
Die Charta der Vereinten Nationen wurde auf Initiative von Präsident Franklin D. Roosevelt geschaffen. Sie enthält in der
Präambel das Versprechen, die Menschheit von der Geißel des Krieges zu befreien. Bedauerlicherweise haben sich
Roosevelts Nachfolger nicht an diese Zusage gehalten, sondern die USA zum größten Waffenexporteur der Welt gemacht.
Außerdem ist die im Atomwaffensperrvertrag von 1968 enthaltene Abrüstungsverpflichtung für die Kernwaffen bis auf den heutigen Tag nicht vollständig umgesetzt worden. Auch hier gilt: wenn die Großen nicht mit gutem Beispiel vorangehen,
werden die Kleinen nicht mit gutem Beispiel folgen wie z.B. Deutschland, der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt. Den
USA ist vorzuwerfen, dass sie ihre politischen Ziele weniger unter Beachtung von Recht und Gesetz anstreben, sondern dass sie es vorziehen, sich unter Einsatz von Fäusten und Ellenbogen durch die Weltgeschichte zu stoßen und zu
schieben.Sie, Herr Präsident, haben Ihren Generalen grünes Licht gegeben, Terrorverdächtige mit Drohnen
„abzuknipsen“. In keinem Rechtsstaat der Welt werden Verdächtige verurteilt und bestraft – schon gar nicht mit dem Tode - bevor ihre Schuld erwiesen ist!
Herr Präsident, bringen Sie Ihren Generalen mehr Rechtsempfinden bei!
Dieser Brief ist als Spiegel für Sie gedacht. Mögen Sie, Herr Präsident, bei der Lektüre die Stimme des Orakels von Delphi
im Ohr haben, die da sagt: „Erkenne dich selbst!“ Oder anders formuliert: „Was ist aus Deinen guten Absichten
geworden?“
Herr Präsident, die USA sind nicht die Nummer Eins in der Welt, wie amerikanische Präsidenten es gerne sagen, aber die
USA können es werden, wenn Sie , Herr Präsident ,zusammen mit Präsident Putin der Empfehlung am Schlusse dieser
beiden Appelle folgen und damit die Kritiker in der ganzen Welt zum Schweigen bringen, die der Ansicht sind, Sie hätten
den Friedensnobelpreis nicht verdient. Sie sollten den Rest Ihrer Amtszeit für diese Reparatur Ihres Ansehens nutzen!
Appell 2
Herr Präsident Putin,
eine Aussage muss zugunsten Russlands getroffen werden: russische Armeen sind ohne Provokation aus dem Westen zu
keinem Zeitpunkt in der Geschichte nach Westen marschiert. Aus diesem Grunde ist es nicht gerechtfertigt, dass westliche
Propaganda, um das Streben der USA nach der Erweiterung ihres Einflussgebietes zu verdecken, Russland und seine
Führer immer wieder als Bösewichte hinstellt. Indes – leider verhält es sich mit der russischen Politik so, dass es ihr
leichter fällt, Furcht und Schrecken in der Welt zu verbreiten als Vertrauen und Zuneigung zu gewinnen. Weshalb haben
Sie auf der Konferenz von Brisbane an einem einsamen Tisch Ihr Mittagessen verzehrt?
Herr Präsident Putin, sie sollten sich einmal aus dem Westen einen Public Relations Berater kommen lassen, der , gestützt
auf Dale Carnegies Buch „Wie man Freunde gewinnt“, eine Empfehlung für Sie ausarbeitet, wie Sie die amerikanische,
gegen Russland gerichtete Propaganda durchkreuzen können. Noch sehr viel besser wäre es, wenn sie mit Präsident
Obama wenigstens einmal im Vierteljahr ein Glas Wodka oder ein Glas Whisky trinken würden. Das würde eine
Konferenzatmosphäre schaffen, die es Ihnen beiden erlauben würde, auf die Muskelspiele der Land - Luft - und Seemanöver der russischen und amerikanischen Streitkräfte, mit denen Sie beide sich gegenseitig zu beeindrucken
versuchen, zu verzichten. Die verdienstvolle Frohnatur Gerhard Schröders wird Sie bei diesem Vorhaben zweifellos gern
unterstützen. Lassen Sie sich von Ihrem Freund dazu inspirieren, öfter in die Kameras zu lächeln und mehr Humor zu
zeigen. Wer lacht, steht über den Dingen!
Ein Tipp noch: Sie sind Herr eines riesigen Reiches. Leisten Sie sich den Luxus der Großzügigkeit und lassen Sie die
Kaukasusvölker darüber abstimmen, ob sie bei Russland bleiben wollen oder den Weg in die Unabhängigkeit vorziehen!
Zufriedene Völker an der Südgrenze Russlands werden Ihren Sicherheitsdiensten weniger Kummer bereiten als Leute, die
ständig darüber nachdenken, in welcher russischen U – Bahn – Station sie eine Bombe zünden sollen. Was
Großbritannien sich im Umgang mit Schottland leisten konnte, nämlich eine Volksabstimmung über die Frage der
Unabhängigkeit, das können Sie sich im Kaukasus auch leisten, ohne dass Ihr Ansehen Schaden leiden wird. Und
befreien Sie Estland, Lettland, Litauen und Polen durch das Angebot von Freundschaftsverträgen von der
selbstverständlich völlig abwegigen Idee, Sie, Herr Präsident wollten diese Staaten etwa in die Russische Föderation
zurückholen. Vielleicht verlassen sie ja eines Tages die NATO wieder, weil sie neues Vertrauen zu Ihnen und zu Russland
gefasst haben!
Empfehlung
Herr Präsident Obama und Herr Präsident Putin,
ich appelliere an Sie beide , mit dem Blick auf den Artikel 24 der Charta der Vereinten Nationen
gemeinsam in der UNO die Initiative zur Reform der Charta zu ergreifen, um ihr ein den Bedürfnissen des
21. Jahrhunderts entsprechendes Gesicht zu geben und eine auf ihr aufbauende internationale
Gesetzgebung zu schaffen , die darauf abzielt, alle internationalen Konflikte vor Gerichten zu lösen und
damit die Menschheit von der Geißel des Krieges zu befreien, wie Ihre Herren Vorgänger es 1945 in der
Präambel zur UN – Charta versprochen haben.
Herr Präsident Putin, Herr Präsident Obama, Ich bitte Sie, sich in dem Bekenntnis zu vereinigen:
Wir brauchen nicht mehr Waffen! Wir brauchen mehr Recht!
Weisen Sie der Menschheit mit diesem gemeinsamen Bekenntnis den Weg zum Weltfrieden!
Otfried Schrot
Autor des Buches „Zwanzig Appelle eines Zornigen an die Welt"
Zwei Appelle und eine Empfehlung
- von Otfried Schrot
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