Es kommt vor, dass im Grundgesetz garantierte Grundrechte miteinander kollidieren und so einen Frontalzusammenstoß
verursachen. Das Streikrecht und das Recht auf Freizügigkeit werden beide im Grundgesetz garantiert. Im Falle eines
einwöchigen Streiks der Lokomotivführer zwingt eine Minderheit eine Mehrheit der Bevölkerung dazu, auf ihr Grundrecht
der Freizügigkeit zu verzichten. Das ist ein Verfassungskonflikt. Da kann es nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass
zwei Tarifparteien bis zum Tage des jüngsten Gerichtes miteinander über Lohnerhöhungen diskutieren, die ganze
Gesellschaft lähmen und unendlichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Da reicht es nicht länger aus, dass der
Gesetzgeber mit über dem Bauch gefalteten Händen da sitzt und immer höher werdenden Diäten kassiert. Da könnte der
Bundestagspräsident einmal parteiübergreifend mit der Entscheidungsfindungsmethode des „Brainstorming“ eine Lösung
des Problems herbeiführen. In jedem guten Buch über Entscheidungstechniken kann man nachlesen, was Brainstorming ist und wie Brainstorming geht. Den Abgeordneten des Deutschen Bundestages kann der Vorwurf nicht
erspart werden, dass sie im Erschließen neuer privater Einnahmequellen für sich selbst weitaus
einfallsreicher sind als im Auffinden dringend benötigter Problemlösungen, die die ganze Gesellschaft
berühren.
Otfried Schrot
Autor des Buches „Zwanzig Appelle eines Zornigen an die Welt“