Armes Hellas, doch die völlige Überschuldung des Staates ist in der Geschichte Griechenlands nichts Neues! Bereits nach seiner Befreiung von der osmanischen Herrschaft musste sich das Land 1826 als Zahlungskondition für englische, französische und russische Kredite von außen eine Monarchie aufdrängen lassen ( Die griechischen Könige kamen übrigens bis auf den Wittelsbacher Prinzen Otto von Bayern alle aus dem Hause Schleswig-Holstein- Sonderburg-Glücksburg, waren also deutschstämmig). Doch egal, ob Monarchie, Militärdiktatur oder Parlamentarische Demokratie: Dem Volk der Griechen ist es in der Neuzeit wirtschaftlich nie besonders gut gegangen. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs, während der Besetzung durch italienische, bulgarische und deutsche Truppen, war Griechenland so arm, dass die deutschen Besatzungsbehörden 1942 sogar Lebensmittel aus anderen besetzten Gebieten Europas heranschaffen ließen, um der totalen Verelendung des Landes entgegenzuwirken. Gleichzeitig verdienten sich damals griechische Geschäftsleute, wie etwa Weinhändler oder Fruchthallenbesitzer, die mit der Deutschen Wehrmacht zusammenarbeiteten, eine goldene Nase. Nicht zu vergessen die Reeder wie Onassis oder Niarchos, wenngleich jene ihre Geschäfte mit den Alliierten gemacht haben. Die grenzenlose Not ihrer Landsleute kümmerte diese „Kriegsgewinnler“ nicht im Geringsten. Heute droht wieder eine riesige Verelendungswelle die Masse des griechischen Volkes zu überrollen ( Millionen von Griechen sind ohne Kranken- und Sozialversicherung, die Arbeitslosenzahlen und die Selbstmordrate steigen ins Uferlose) und wiederum gibt es einige Leute, die an diesem Desaster noch verdienen. Natürlich hat auch die Bevölkerung selbst zu den heutigen Zuständen beigetragen: Da standen Tausende auf der „payrole“ des öffentlichen Dienstes ohne für das Geld auch zu arbeiten, für längst verstorbene Angehörige weiterhin Rente zu kassieren war gang und gäbe und das Renteneintrittsalter paradiesisch niedrig. Boshaft könnte man hier von „betrogenen Betrügern“ sprechen, lägen nicht die Gründe für ein solches Verhalten auf der Hand. Aber wer will es den Regierten schon verübeln, wenn sie sich die Regierenden zum Vorbild nehmen? „Actio gleich reactio“ lautet doch der berühmte Lehrsatz von Isaac Newton, den wir alle noch vom Physikunterricht her kennen und der eben nicht nur in der Physik gilt. Die wichtigste, aber auch die schwierigste Aufgabe der neuen Linksregierung muss es sein, die Korruption zu bekämpfen, die sich im ganzen griechischen Staatsapparat wie ein vielfach metastasierendes Karzinom eingenistet hat, zu bekämpfen. Für diese Sisyphusarbeit sollten wir auch in unserem eigenen Interesse und über alle Parteigrenzen hinweg Alexis Tsipras und seiner Truppe das Glück des Tüchtigen wünschen – An Leuten, die in politischer Engstirnigkeit auf das Scheitern dieser Regierung hoffen, wird es gewiss nicht mangeln. Eine solche Geisteshaltung im Umgang mit dem Land, das als Wiege der europäischen Kultur gilt, ist eines Europäers aber unwürdig.
Dr. Werner J. Leitmeier
Ingolstadt