Der (beispielhafte) Sachverhalt:
Die deutsche Fußball-Nationalspielerin begeht als Feldspielerin im eigenen Strafraum ein absichtliches Handspiel, also eine Art „taktisches Foul“, um ein Tor des Gegners (Schweden) zu verhindern.
Die Straf-Folgen:
Schweden bekommt einen Elfmeter zugesprochen, der dann auch verwandelt wird. Zusätzlich erhält die „Täterin“ die rote Karte und wird etwa in der 30. Spielminute vom Platz gestellt, so dass die deutsche Mannschaft also über zwei Drittel der Gesamtspielzeit sehr kräfte- und substanzraubend in Unterzahl spielen muss. Und nochmals zusätzlich wird die „Täterin“ auch noch für das nächste Turnier-Spiel (Viertelfinale gegen Frankreich) gesperrt.
Generelle kritische Betrachtung dieses Strafen-Reglements:
1. Im allgemeinen Recht gilt der Grundsatz „ne bis in idem“, also das Verbot einer Mehrfachbestrafung für dasselbe Delikt. In diesem konkreten Beispiels-Fall wurden nach geltendem Reglement nebeneinander gleich drei so harte Strafen verhängt, dass keine davon nur als eine „beiläufige“ Nebenstrafe (wie z.B. eine zusätzliche „Geldbuße für einen guten Zweck“ o.ä.), sondern jede einzelne davon nur als Hauptstrafe verstanden werden kann.
2. Obwohl bereits die 1. Hauptstrafe (Elfmeter) einen vollständigen Schadensausgleich (Tor) zugunsten der Schwedinnen bewirkt hat und auch die deutsche Mannschaft mit nachfolgender Unterzahl als 2. Hauptstrafe (zusätzlicher Kräfteverschleiß für das Spiel und Substanzverlust für das restliche Turnier) kollektiv mitbestraft worden war, folgte nicht nur eine auf das Spiel gegen Schweden zeitlich begrenze Zeit- oder Matchstrafe der Spielerin (wie beim Eishockey) , sondern noch eine weitere Hauptstrafe in Form einer Spiel-Sperre für das nächste Spiel. Warum? Immerhin stellt ein derartiges „taktisches Foul“ ja bei weitem keinen so schweren Regel-Verstoß dar wie z.B. eine Tätlichkeit mit vorsätzlicher Verletzung eines Gegenspielers, was durchaus eine Sperre für mehrere Spiele rechtfertigt. Außerdem stellt es in der Regel einen ganz entscheidenden Unterschied für das ganze aktuelle Spielgeschehen und mitunter sogar für den weiteren Turnierverlauf dar, ob der Platzverweis bereits zu Beginn des Spiels oder erst kurz vor Spielende erfolgt: Wer gleich zu Spielbeginn „rausfliegt“, wird dann ja praktisch für fast zwei(!) Spiele gesperrt und die gesamte Mannschaft dementsprechend auch viel länger und viel stärker zusätzlich belastet. Das aktuelle Reglement lässt dies alles bisher völlig außer Acht.
3. Wenn davon ausgegangen wird, dass genau diese jetzt gesperrte Spielerin die Bestbesetzung auf ihrer Spiel-Position darstellt und sie deshalb nicht adäquat ersetzt werden kann, dann stellt ihre Sperrung für das nächste Spiel also nicht nur eine weitere Schwächung des eigenen Teams, sondern umgekehrt auch eine Bevorteilung des nächsten Gegners (hier im Beispiel: Frankreich) dar. Dies erscheint ebenso irrational: Warum bevorzugt dieses Reglement den nächsten Gegner sogar zweifach, obwohl er überhaupt nichts mit dem Regelverstoß im (Bei-)Spiel Deutschland vs Schweden zu tun hatte und obwohl er ja auch schon durch die Unterzahl-Schwächung Deutschlands gegen Schweden mitprofitiert hat, indem Frankreich bei einem Sieg der deutschen Mannschaft gegen Schweden im anstehenden Viertelfinale nicht gegen die jetzt mental angeschlagene und kräftemäßig geschwächte deutsche Mannschaft, sondern gegen das ohnehin höher und stärker eingestufte Schweden hätte spielen müssen?
Anregungen für eine generelle Reglements-Änderung:
→ Einführung eines verfeinerten Delikte- und Strafen-Katalogs mit Zuordnung auf "Katalog-Basis je nach der Art des Deliktes“?
→ Einführung einer Zeit- oder Matchstrafe wie beim Eishockey?
→ Bei derartigen taktischen Fouls im eigenen Strafraum: Vorrangig Strafstoß sowie gelbe Karte für den „Täter“ und Platzverweis nur dann, wenn der Strafstoß verschossen wird?
→ Ersetzung einer Spielsperre für kommende Spiele - ebenfalls katalogisiert je nach der „ Art des Deliktes“ - durch Ersatz-Strafen oder Neben-Auflagen o.ä., durch die in nachfolgenden Spielen die am begangenen Delikt gar nicht beteiligten Gegner nicht zusätzlich bevorteilt werden?
Franz Schmid