Für arme Bürger hat der Gesetzgeber Zuzahlungsfreiheit für Medikamente festgelegt. Das macht Sinn, wird aber trotzdem nicht von jedem Berechtigten in Anspruch genommen. Warum?
Wenn Sie arm sind und können die Zuzahlung zu Ihren Medikamenten nicht zahlen, müssen Sie die Freiheit von der Zuzahlung beantragen.
Dazu brauchen Sie eine Bescheinigung des helfenden Amtes, dass Sie Transferleistungen beziehen und Sie brauchen eine Bescheinigung Ihres Hausarztes, dass sie eine chronische Krankheit haben, die regelmäßige medikamentöse Behandlung erfordert.
Dem steht gegenüber:
Das Sozialamt oder das Jobcenter, kennt Ihre Krankenkasse. Ohne die zu kennen erteilen sie keine Hilfe.
Das bedeutet: Das Sozialamt, oder das Jobcenter kann mit einem einfachen Knopfdruck, schon bei der Bewilligung, der Krankenkasse mitteilen: "Dieses Mitglied ist arm"
Die Krankenkasse sieht aus den regelmäßigen Verschreibungen der immer gleichen Medikamente, dass diese Person chronisch krank ist.
Alle benötigten Informationen sind also bei Amt und Krankenkasse. Man sollte denken, dass eine solche Person automatisch von der Zuzahlung befreit sein müsste.
Aber weit gefehlt. Der zu quälende Bürger hat die Leistung jährlich, mit den oben angeführten Belegen zu beantragen. Egal ob er sich schämt, jedes Jahr den Arzt bitten zu müssen: Egal, ob es ihn aus Alters- oder Gesundheitsgründen überfordert:
Du, nutzloser armer Bürger, bitte, bettle, krieche zu Kreuze!
Michael Maresch
Antwort von Sebastian Roloff MdB (SPD)
Sehr geehrter Herr Maresch,
zunächst vielen Dank für Ihre Nachricht. Mit Ihrer Kritik haben Sie einen Punkt angesprochen, der in der Praxis tatsächlich zu einer unnötigen Belastung führen kann, insbesondere für Menschen, die ohnehin schon in einer schwierigen Lebenslage sind.
Sie haben völlig recht: Die Krankenkassen kennen die regelmäßigen Medikamentenverordnungen, während das Jobcenter bzw. das Sozialamt über die finanzielle Lage der Betroffenen Bescheid weiß. Dennoch müssen für die Zuzahlungsbefreiung bestimmte Nachweise erbracht werden.
Der Grund dafür ist nicht mangelndes Vertrauen, sondern der Umstand, dass es sich um unterschiedliche Zuständigkeiten handelt.
Die Krankenkasse sieht zwar, dass bestimmte Medikamente regelmäßig verschrieben werden, darf aber aus datenschutz- und medizinrechtlichen Gründen keine eigenständige Diagnose oder Bewertung treffen. Eine ärztliche Bescheinigung bleibt daher unerlässlich.
Ebenso erkennt das Sozialamt die Bedürftigkeit, kann aber keine Aussage über eine chronische Erkrankung treffen.
Das hat zur Folge, dass der Antrag mit mehreren Nachweisen zu erbringen ist. Das sehen auch wir als SPD durchaus kritisch, insbesondere wenn Menschen betroffen sind, die alters- oder gesundheitsbedingt belastet sind. Neue Ansätze sind nicht einfach umzusetzen, aber sie sind prüfenswert.
Ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihre Rückmeldung. Auch wenn ich Ihnen derzeit keine konkrete Änderung versprechen kann, nehme ich Ihre Anregung sehr ernst.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Roloff
Darauf habe ich geantwortet:
Erst mal Danke, Herr Roloff,
dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Erlauben Sie mir zu dieser Antwort zwei Bemerkungen. Nachdem
1. Der Krankenkasse die Tatsache der wiederkehrenden Rezepte vorliegt, könnte man ihr durchaus die "Beweisumkehr" zumuten, mal beim Versicherten nachzufragen und sich dann
2. gegebenenfalls die Zustimmung geben zu lassen, das auch mit dem Sozialamt abzugleichen.
Hier aber wird offensichtlich um Kosten auf den Schultern der Ärmsten zu sparen, an Zwangsbürokratie festgehalten und das offensichtlich auch mit Ihrer Hilfe.
Na ja, das ist wohl etwas überzogen, denn aus Ihrem Brief spricht durchaus auch die Sorge.
Also: nochmals Danke.
Freundliche Grüße
Michael Maresch
Bürgerredaktion.de