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Wir begrüßen unseren neuen Autor:
Andreas Müller

 

Egoismus tötet

Selbst nachdenken hilft enorm – aber: selber Denken gefährdet die Ignoranz – und die Manipulation durch andere Menschen. Wegen depressiver Störun­gen war ich erstmals 1978/79 in Behandlung. Bei einem Psychiater. Und zu­sätzlich bei einem ärztlichen Psychotherapeuten. Und nichts wurde besser. Während einer Behandlung im I. Quartal 2010 in ei­ner Tagesklinik ist die depressive Symptomatik so­gar schlechter geworden. Auch mit standardisierten psychometrischen Tests wurde das – in der Klinik selbst – nachgewiesen. Also nicht nur mein subjektives Empfinden.

Unermessliches Leid

Die Eltern meiner Mutter sowie ihr Verlobter und dessen Eltern und zahlreiche weitere Verwandte von ihr sind bei lebendigem Leibe verbrannt. Gegen Ende des II. Weltkriegs, am 12. September 1944, in einem Fliegerangriff, in der Nacht, mit Brandbomben. Fünf Tage zuvor hatte mein Großvater 60. Geburts­tag. In einem weiteren Brandbombenangriff, auf eine andere Stadt, verbrann­ten weitere Angehörige meiner Mutter. Nie wieder Krieg! Meine Mutter war traumatisiert. Unermessliches Leid.

Soldatenschicksal

Das Nazi-Regime, der Krieg und seine Gefangenschaft haben meinen Vater geprägt. Kriegsgefangener in England. Dann in Kanada. Mit einem Arbeitskit­tel mit der Kennzeichnung „POW“, Prisoner of War, kam er aus Kanada zu­rück. Er war U-Boot-Matrose. Seinen 19. Geburtstag hatte er am 10. Augst 1941. Am 23. August 1941 verließ das Boot U-570 Trondheim, um im Nordat­lantik zu operieren. Für vier Tage: Am 27. August 1941, einem Mittwoch, wur­de das Tauchboot U-570 von Engländern aufgebracht. Wie dramatisch und traumatisierend diese Kriegshandlung war lässt sich im Buch „U-570 – Die Nase im Wind“, von Alfons G. Karl, nachlesen: „Es schien so, als ob nun das letzte Stündlein geschlagen hätte, und die Engländer nun die Versenkung des Bootes vorbereiteten“ (a.a.O. Seite 89). „Der Boden war bedeckt mit einer undefinierbaren Schicht aus Erbrochenem und Fäkalien“ (a.a.O. Seite 92). Folgen eines egomanischen, (größen)wahnsinnigen Diktators sowie dessen Schergen und Unterstützern.

Wer die Demokratie abschaffen, und aus grobem Unverstand Deutschland – oder ein anderes Land – „über alles“ stellen möchte, wer Kriegstrauma live erleben will, hat keinen blassen Dunst von den verheerenden Folgen.

Leid bringende Indoktrination

Nach dem Krieg trafen sich meine Eltern. An der Wirbelsäule war meine Mut­ter schwer verletzt worden, bei einem Unfall. Sie wurde operiert. Das war An­fang der 1950er Jahre kein Vergleich zu heute. Sie musste ein orthopädisches Stützkorsett tragen. Lebenslang. Kinder sollte sie keine bekommen. Davon rie­ten ihr die Ärztinnen und Ärzte drängend ab. Doch Mutterschaft und Fami­lie waren hehre Ziele aus dem „Dritten Reich“. Mein Vater wollte, meine Mut­ter musste. Die Indoktrination der Nazis wirkte. Meine Mutter wurde schwan­ger mit mir. Ihre erste Schwangerschaft, unter ständiger Angst und starken Schmerzen. Traumafolgen nehmen unaufhaltsam ihren Lauf.

Fortpflanzung der Traumafolgen

Was hat das mit meinen unheilbaren depressiven Störungen zu tun? Alles. Die Traumatisierung meiner Mutter hat ihre hormonellen und andere endokri­ne Prozesse verändert. Die Muster wurden auf mich als Fötus übertragen – und das trifft natürlich nicht nur auf mich zu. Dazu die Angst meiner Mama – die Ärzte hatte ja vom Schwangersein abgeraten - und die Schmerzen wäh­rend der Schwangerschaft. Zusätzlicher Stress, der im Mutterleib auf mich übertragen wurde. Wegen der Einengung durch das Stützkorsett konnte ich mich nicht drehen. Ergebnis: Geburt aus Steißlage. Eine Tortur für meine Mutter und für mich. Eine Not-Taufe bekam ich noch in der Frauenklinik. Dann folgten vierzehn Wochen Kinderklinik. Muttermilch nicht vertragen, andauernde Trennung von meiner Mutter, Sauerstoffzelt, künstliche Ernährung - kein Kommentar.

Nutzlose Schuldzuweisungen

Was das bedeutet: Seelische Schmerzen, psychische Pein, depressive Störun­gen fürs ganze Leben. Besonders wenn durch Ignoranz, Arroganz, Eitelkeit und Egozentrik, insbesondere von Therapeutinnen und Therapeuten das Leid noch verstärkt wird. Betroffene Menschen leiden. Ihnen, den Leidenden, dafür die Verantwortung zuzuschieben zeugt von mangelnder Fähigkeit zur Selbstkritik, Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit, aber auch von beschränkten Möglichkeiten. Keine medika­mentöse Therapie und kein Therapeut konnte meine depressiven Störungen in den letzten Jahrzehnten lindern oder gar heilen. Und ich weiß, dass es vie­le Betroffene gibt, denen es ebenso oder ähnlich geht.

Therapeutisches Versagen

Wieso steigen die Zahlen an ärztlichen, psychologischen, spirituellen und eso­terischen Psychotherapeuten stetig an? Egal ob man die Zahl rechtlich appro­bierter Psychotherapeuten oder Heilpraktiker oder psychologischer Berater oder dergleichen anschaut – in all’ diesen Bereichen werden es immer mehr. Der Markt der Psychotherapie boomt. Die pharmazeutische Industrie verdient sich mit Psychopharmaka eine „Goldene Nase“. Und ich weiß ganz genau wo­von ich hier rede. Nicht nur als Betroffener, sondern auf­grund meiner eigenen Expertise. Und ich war selbst in der Pharma-Industrie tätig. Und nicht nur dort. Würden die Therapeuten und deren Methoden tatsächlich und dauerhaft helfen, gäbe es dann einen Wachstumsmarkt in diesen Bereichen? Oder werden laufend psychisch kranke Menschen produziert?

Kein Mensch will leiden

Wer will freiwillig seelische Schmerzen, psychische Pein oder Leid ertragen? Kein Mensch! Der Sache sollten wir auf den Grund zu gehen. Mir halfen keine Pillen, keine Psychotherapie und auch nichts Spirituelles. Wieso nicht? Und wieso sind es so viele Menschen – wie die ständig steigende Zahl an Thera­peuten und Therapieformen zeigt -, die den Leidenden nicht helfen können, dies jedoch behaupten? Die Betroffenen nehmen immens lange Wartezeiten, von etlichen Monaten bis zu einem Jahr und mehr, in Kauf. Sie alle hoffen auf Linderung oder sogar Heilung. Genau das kenne ich von mir selbst – und von den vielen Mitpatienten, die ich in zahlreichen Gruppentherapien kennengelernt habe. Und ich kenne es von meinen Klienten, deren Rechte ich als gerichtlich bestellter Berufsbetreu­er wahrzunehmen hatte.

Falsche Hoffnungen stoppen

Um die Ursache meines seelischen Leidens zu verstehen – und zu versuchen mir selbst zu helfen – studierte ich Psychologie und Sozialmedizin. Diese Stu­dien schloss ich 1987 mit einer interdisziplinären, empirischen Diplomarbeit zum Thema „Reaktive Depressionen bei Ausländern“ ab. Danach beschäf­tigte ich mich den Themen „Fahrlässigkeit, Vorsatz und Schuld“ (Strafrecht und Kriminologie) sowie parallel mit Kommunikations-Psychologie, Human- und Medienkommunikation. Diese Studien schloss ich wiederum mit einer interdis­ziplinären, empirischen Forschungsarbeit 1994 ab. An einer Universität do­zierte ich 24 Jahre als Lehrbeauftragter, unter anderem zu den Themen Hu­man- und Medienkommunikation sowie Kommunikations-Psychologie. Das ist nicht alles, aber es sollte genügen, um meiner Anregung zu folgen, den eige­nen, gesunden Menschenverstand zu benutzen – nicht nur wenn es um die Ursachen von Depressionen, Ängsten, Persönlichkeits- und Belastungsstörungen und andere „Sorgen und Nöten“ geht. Ständig schürt die Gesundheits­industrie falsche Hoffnungen und schiebt bei Misserfolg den Leidenden selbst die Verantwortung zu – und das halte ich für perfide, für unethisch in höchs­tem Maße.

Triebfeder Ego(ismus)

Was therapiert ein Kardiologe? Das Herz. Was therapiert ein Gastrologe? Den Magen. Was therapiert ein Nephrologe? Die Nieren. Was therapiert ein Au­genarzt? Die Augen. Und jetzt einfach mal fragen: Was therapiert ein Psychiater oder ein Psychologe: Was genau therapieren Psycho-Therapeuten? Sie können sich das selbst fragen – oder auch eine KI, wie etwa ChatGPT. Worauf man beim reflektieren dieser Frage stößt ist genauso spannend wie die Ant­worten auf Fragen nach dem Selbst und dem Bewusstsein.

Nach meiner bisherigen Erkenntnis – ich kann mich aber auch irren – liegt die Wurzel der Übel im Ego, genaugenommen in dem, was ich Ego-Virus, Ego-Krebs, Ego-Sucht, Ego-Manie und Ego-Demie nenne. Weshalb so „schlimme“ Begriffe? Manfred Spitzer, Professor in Ulm, Dr. med. Dr. phil., Direktor einer Uni-Klinik und eines Max Planck Forschungszentrums, hat ein Buch mit dem Titel „Einsamkeit tötet“ veröffentlicht. Mein Eindruck ist: „Egoismus tötet“. Und in meinen Augen nehmen sich Menschen nicht das Leben, sondern das Leiden. Und würden die sogenannten Psychotherapeuten ihre Grenzen erken­nen – sowie bekennen -, und nicht noch zusätzlich den leidenden Menschen, den Hilfesuchenden, Verantwortung und Schuld zuweisen, dann wären diese Patienten entlastet. In rund fünfzig Prozent der Suizidfälle ist bekannt, dass diese zuvor wegen einer depressiven Störung in Behandlung waren. Ganz zu schweigen von der Dunkelziffer. Und wer glaubt, dass irgendwann irgendein Antidepressivum hilft, sollte sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen – und mit den irreversiblen Schäden, die in den ersten 1000 Tagen nach Zeugung entstehen können. Ignoranz der Wahr­heit nützt nichts.

Hilfreicher Denkanstoß

Wir sind tatsächlich eine Menschenfamilie und mit allen und allem verbunden. Das be­weist schon die Vorfahren-Formel (1+2 hoch N; N geht gegen unendlich), aber auch die Biogenetik und die Quantenphysik (Verschränkung) belegen das. Nichts Spirituelles, nichts Esoterisches. Es ist nicht wahr, dass wir alleine und getrennt sind. Die Geschichte, dass wir getrennte Individuen sind, wird uns ständig weisgemacht. Aus egozentrischen Motiven. Es sollen Profite erzielt werden. Gehöre dazu, tue dies, tue das, dann geht es dir gut, so die Propaganda. Du bist nicht okay, aber wenn das befolgst, dann wirst du geheilt. Und wir wiederum glauben: Bei anderen wirkt das, ich hab’s doch in den Medien gesehen. Aber bei mir wirkt das nicht. Anderen hilft die Therapie, das Medikament - mir helfen Therapeutika und Therapeuten nicht. Das Selbstwertgefühl wird schlechter, weil wer denken, dass wir nicht zu denen gehören, die „glücklich und zufrieden“ sind. Wer aber ist auf dauerhaft glücklich?

Die dem Beweis zugänglich Wahrheit ist jedoch, dass wir alle miteinander, und mit allem, verbunden sind. Wir sind nicht alleine, wir sind nicht getrennt. Solche Geschichten erzählt uns auch un­ser eigenes Ego. Das zu durchschauen hilft weiter. Unser Ego zu entlarven ist wichtig. Es dauert, bis man dahinter kommt.

Und noch ein Trost zum Schluss: Ich lebe immer noch, trotz meiner chroni­schen Depression – und meiner Aufmerksamkeitsstörung. Hätte ich diese psychische Bürde nicht, dann hätte ich niemals so tief über unsere menschli­che Existenz nachgedacht.

Jörg Stimpfig


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