Ostern – oder die tödliche Macht des Ego
Faktenbasierte Wahrheit: Krieg, Klimakrise, soziale Spaltung – wir leben in einer Welt, in der der Egoismus immer ungebremster regiert. Ob im egozentrischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, im technologischen Größenwahn eines Elon Musk oder in der politischen Egomanie eines Donald Trump – wir erleben die Konsequenzen eines entfesselten Egos, das sich über unser Gemeinwohl erhebt.
Wurzel allen Übels
Die Frage ist nicht neu: Warum tun Menschen einander so viel Leid an? Die Religionen, Weisheitslehren und Philosophien der Menschheit geben erstaunlich ähnliche Antworten. Sie alle, von Jesus über Buddha, von Konfuzius bis zu den Ältesten der Naturvölker, warnen vor der Selbstsucht. Sie alle fordern Mitgefühl, Gerechtigkeit sowie Bescheidenheit und Demut. Doch statt diese Werte zu leben, glorifiziert unsere Kultur das Ich.
Mathematik gegen den Ego-Wahn
Dabei liefert selbst die nüchterne Mathematik einen Beweis für unsere Verbundenheit: Jeder Mensch hat zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern. Mit jeder Generation verdoppelt sich die Zahl. Die Formel: 1 + 2^n. Bereits nach 30 Generationen wären über eine Milliarde Menschen an der Entstehung jedes einzelnen Individuums beteiligt. Das ist natürlich nur theoretisch – denn viele Ahnenlinien überschneiden sich – doch die Botschaft bleibt: Wir sind alle miteinander verwandt. Es gibt keine „Anderen“. Nur uns.
Glaubenslehren sprechen eine Sprache
Jesus lehrte Liebe, nicht Vergeltung. Buddha sprach davon, das Ego aufzulösen. Konfuzius betonte das rechte Maß und die Ahnenweisheit. Der Hinduismus kennt das Prinzip des „Atman“, des wahren Selbst, das mit allem verbunden ist. Die Naturvölker verehren die Erde als Mutter aller. Alle Lehren führen zur selben Quelle: Dem Ego seine Grenzen zu zeigen. Oder wie Mahatma Gandhi sagte: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“
Metaphysik des Mitgefühls
Auch wenn die Religionen unterschiedliche Konzepte kennen – Himmel, Wiedergeburt, Nirwana oder Erlösung – so eint sie die Überzeugung: Es gibt einen tieferen Sinn, der über das bloße Ich hinausgeht. Und dieser Sinn zeigt sich im Dienst am anderen. Albert Schweitzer brachte es auf den Punkt: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Diese Haltung ist keine Theologie, sondern eine Ethik des Überlebens.
Botschaft des Wandels
Ostern steht für Transformation – nicht nur im religiösen Sinn. Es steht für die Hoffnung, dass Tod und Dunkelheit nicht das letzte Wort haben. Vielleicht brauchen wir gerade heute diese Botschaft dringender denn je: Nicht das Ego führt uns ins Licht, sondern das Mitgefühl.
Es ist an der Zeit, den Egoismus als das zu benennen, was er ist: eine Gefahr für alles Leben auf diesem Planeten. Und gleichzeitig sollten wir uns erinnern, dass die Lösungen längst vor uns liegen – in den Worten der Weisen, in den Erkenntnissen der Wissenschaft, in der Sehnsucht unserer Herzen.
Jörg Stimpfig