Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.01.2025 wie Bild
Grünen-Fresser Kohler
Egal, ob man als erstes die Überschrift eines Leitartikels, oder ohne auf den Kommentator zu achten: Wenn die SPD oder vor allem die Grünen besonders giftig auf's Korn genommen werden, dann kann man sicher sein: Der Autor ist FAZ-Herausgeber Berthold Kohler. So auch heute wieder, wo er "Auch noch Geschenke an die Grünen" anprangert. Bei aller Akzeptanz der FAZ als konservatives Blatt, das ich dennoch als eine der zwei besten Tageszeitungen Deutschlands betrachte und deshalb seit Jahrzehnten lese: derartig einseitiges, oft bösartig hetzerisches Bashing stößt sicher nicht nur mir auf, denn wenn Kohler-kritische Leserbriefe sogar abgedruckt werden, dann kann man getrost davon ausgehen, dass es massenweise weitere geben muss, sonst würden einige wenige nicht gelegentlich als Feigenblatt tatsächlich erscheinen. Zum konkreten Artikel: Haben die Grünen denn in den Augen von Herrn Kohler kein Recht dazu, wenigstens Spurenelemente eigener politische Wahlversprechen in den von der schwarzroten Sondierungskommission vorgelegten Vereinbarung zu finden, wenn ohne deren Zustimmung das ganze Papier zur Makulatur werden würde? Vielleicht aber wären die Grünen sogar schon damit milde zu stimmen, wenn sich vor allem der Bayern-Trump Markus Söder für seine Aschermittwochs-Ausfälle, aber auch Friedrich Merz für seine für einen künftigen Kanzler unterirdische Beleidigung entschuldigen würden, als er noch am Tag vor der Wahl die Grünen pauschal als "Spinner" bezeichnet hatte - dieselben Grünen, die in mehreren Bundesländern gemeinsam mit der Union ziemlich geräuschlos arbeitende Koalitionen bilden. Schade, Herr Kohler, denn läse man nur Ihre Beiträge - und die noch als Herausgeber(!), dann könne man meinen, die FAZ sei zu einem Kampfblatt gegen alles "Rot/Grün-Versiffte" verkommen. Aber zum Glück gibt es ja bei der FAZ auch noch Redakteure, die ein ausgewogeneres politisches Weltbild haben
Walter Krombach