Meinungs- und Press(e)-Freiheit in der Marktwirtschaft?
Die WELT titelte: „Mit diesen fünf radikalen Punkten will Trump die ,Zensurindustrie’ zerschlagen“
Jakob Schirrmacher (WELT) formulierte in der Unterzeile seiner Überschrift: „Trump lehnt den Begriff ,Desinformation’ ab“ [Quelle: AP/Allison Robbert]
Donald Trump habe ein Programm vorgelegt, das die, wie er sage, Meinungsfreiheit in den USA retten soll, schrieb Schirrmacher. Was er plane, stehe den europäischen Bestimmungen im „Digital Services Act“ komplett entgehen. Von den großen Tech-Konzernen verlange das eine schizophrene Politik. Soweit Schirrmacher im Vorspann seines Beitrags.
Es sieht nach einer heftigen „Debatte“ über Meinungsfreiheit und die Verantwortung von Medien- / IT-Unternehmen in den USA aus. Trumps Pläne würden sowohl mit Anerkennung als auch mit scharfer Kritik bedacht, erklärt Schirrmacher. Kritiker behaupteten, sein Wahlerfolg sei das Resultat gezielter Desinformationskampagnen. Trump hingegen habe bereits 2022 angekündigt, den Begriff der „Desinformation“ ad acta zu legen, berichtet Schirrmacher in der WELT. Dies würde durch eine umfassende „Free Speech Initiative“ ermöglicht werden, die darauf abziele, die zunehmende Zensur und Unterdrückung freier Meinungsäußerung in den USA zu bekämpfen. Seine Botschaft, so Schirrmacher, sei deutlich: „Ohne freie Meinungsäußerung gibt es keine freie Nation.“ Trump warne bereits öfter vor einem „linken Zensurregime“, bestehend aus „Deep-State-Bürokraten, Silicon-Valley-Tyrannen und korporativen Medien“, die gemeinsam daran arbeiten, die amerikanische Bevölkerung zu manipulieren und zum Schweigen zu bringen.
Meines Erachtens ist zu befürchten, dass die „kleinen Leute“ in den USA sich weder auf die Informationen aus den Dunstkreisen der Republikaner, noch auf die Informationen aus dem Umfeld der Demokraten wirklich verlassen können. Die Wahrheit ist tot – die Lügen leben. Und es ist nachwiesen, dass Trump schon gelogen hat, dass die Sterne aus der Flagge der USA fallen. Und ist es hier bei uns in Europa, in der BRD, wirklich so viel besser? Das Bedauerliche ist, dass wir als Bürgerinnen und Bürger moderner Demokratien von den Informationen abhängig sein, um uns unsere Meinung zu bilden und zu wählen, wenn manchmal auch nur zwischen Beelzebub und Teufel.
Trumps Ankündigungen könnten Europa, insbesondere die EU und Deutschland, vor Herausforderungen stellen, denn die Free Speech Initiative stehe in einem grundlegenden Spannungsverhältnis zu dem Digital Services Act (DSA), einem Regelwerk, das in der EU 2024 in Kraft trat und die Kontrolle über digitale Inhalte verschärft, weiß Jakob Schirrmacher. Der DSA verpflichte Plattformen, Inhalte proaktiv zu überwachen und zu entfernen, die als „schädlich“ oder „desinformativ“ eingestuft werden, erläutert Schirrmacher in seinem WELT-Beitrag. Und er weist meines Erachtens zurecht auf ein zentrales Problem hin: Unscharfe Definition, unklare Rechtsbegriffe, wie „Desinformativ“ beziehungsweise „Desinformationen“ bergen Sprengstoff. Diese Unklarheit ermögliche es Regierungen und Institutionen, den Begriff selektiv anzuwenden und kritische Stimmen zu unterdrücken. Diese Gefahr sehe ich ebenso. Eine entsprechende „Prüfstelle“, welche dem Wirtschaftsminister (Habeck) unterstellt ist, wurde bei der Bundesnetzagentur bereits geschaffen (hierzu hat Prof. Dr. Christan Rieck bereits einen m.E. hoch informativen Beitrag auf YouTube veröffentlicht). Mit dem sogenannten Trusted-Flagger-System, einem Instrument des DSA der EU, durch das „ausgewählte Organisationen“ Inhalte markieren sollen, werden Inhalte aus dem digitalen Raum entfernt. Was ist das anderes als Zensur durch die beauftragten Personen, die „Trusted Flagger“? Und wer wählt diese Personen aus? Welchen Hintergrund haben diese Zensoren?
Die USA sind eine gutes Beispiel dafür, welche äußerst problematischen Folgen es für die Demokratie nach sich zieht, wenn Medien aller Art den Kräften und Mächten, den Eliten, den Investoren, der Marktwirtschaft ausgesetzt sind. Wer mehr Geld hat, wer die besseren Köpfe bezahlt, wer Einfluss hat, dessen Informationen werden verbreitet. Das führt zu einer Spirale, weil damit am Ende des Tages auch die gesetzlichen Regulierungen von denen geschaffen werden, welche die größere Finanzkraft haben. Und zu wessen Gunsten werden die auf Wählermanipulation hin gewählten Regierungen wohl handeln? Ganz sicher nicht zugunsten der „Kleinen Leute“ – das wird auch Trump nicht tun, er betreibt ganz genauso Klientel-Politik wie die anderen. Und ist es bei uns wirklich völlig anders? Wir haben jedoch einen Vorteil: Der Öffentlich-Rechtliche-Rundfunk (ÖRR) ist zu politischer Ausgewogenheit und Neutralität verpflichtet. Nur liegt es an uns, dass wir als Beitragszahler dafür sorgen, dass diese Anstalten ihre Rechtspflichten auch erfüllen. Wenn sie das nicht tun: Dann ist es meines Erachtens analog wie bei einer Schlechtleistung – man verlangt Nachbesserung oder kürzt das Entgelt.
In Kürze habe wir Bundestagswahlen – welche Partei kämpft für unabhängige Rundfunkanstalten? Wer setzt sich für Meinungs- und Pressefreiheit ein? Jede Diktatur – egal ob sie blau, braun, gelb, grün, rot oder schwarz oder bunt oder farblos ist – beginnt damit, dass die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt wird, dass es Zensoren gibt. Und selbst wenn wir als „Kleine Leute“ die Freiheiten hätten: Wessen Meinung wird veröffentlicht, wird verbreitet? Wir haben keine Chance außer solidarisch aufzustehen und auf die Straßen zu gehen und uns für echte Demokratie einzusetzen. Unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die vor über 35 Jahren in der DDR auf die Straßen gegangen sind, haben bewiesen, dass es möglich ist sich Gehör zu verschaffen. Wann kriegen wird endlich gemeinsam den Hintern aus den Sesseln und Stühlen?
Jörg Stimpfig