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Nun wird wieder der ausgeglichene Staatshaushalt hierzulande beschworen, der demnächst real werden soll. Für jeden Ökonomen, der nicht mit Scheuklappen durch die Gegend läuft, eine schlimme Drohung, bedeutet das doch, dass unser Gemeinwesen weiter auf Verschleiß  betrieben wird. Schon schlimm genug, dass in diesem sog. Wahlkampf zum EU-Parlament es anscheinend keine Partei für notwendig hält, das Thema Eurobonds auch nur zu erwähnen. Auch hier ist es für Ökonomen klar, dass eine Währungsunion auf Dauer nicht funktionieren kann, wenn es in ihr 17 unterschiedliche Staatsanleihen der jeweiligen Länder des Euroraumes in Euro gibt; das ist eine Einladung an die Spekulation, gegen einzelne der Euroländer zu spekulieren und damit deren Staatshaushalte und Firmenkalkulationen unsicher zu machen. Rationale Wirtschaftspolitik würde solche Fehlkonstruktion im Euroraum dadurch beheben, dass Eurobonds eingeführt werden, dass amtlich festgestellt wird, dass ein Euro in Italien gleich einem Euro in Deutschland oder Spanien ist: damit wäre jeglicher Spekulation gegen einzelne Euroländer die Grundlage entzogen. Bleibt man ohne Eurobonds , dann wird dieser Verbund von Euroländern von innen auseinander gesprengt, dann ist der Euro gescheitert und die EU würde ein anderes Gesicht haben, falls sie überhaupt als Gemeinschaft noch fortbestehen könnte. Sicher, für Deutschland wäre die Einführung von Eurobonds etwas teurer, aber erheblich billiger als ein Scheitern des Euro. Ein rational agierender Gläubiger hat ein vitales Interesse daran, dass der Schuldner wirtschaftlich gesund ist und bleibt, damit er seine Zinsen bezahlen und seine Schulden tilgen kann; Austeritätspolitik dagegen bewirkt das Gegenteil, sie schwächt den Schuldner oder richtet ihn gar zugrunde.
Leider wird in allen Medien ohne Bedenken einer sog. Sparpolitik das Wort geredet, mit Schuldenbremse und Fiskalpakt wurde solch ökonomischer Unsinn sogar gesetzlich festgeschrieben, und angeblich gibt es dazu keine Alternative. Dabei muss das Rad gar nicht neu erfunden werden, fast alles ist seit Jahrzehnten vorgedacht, man könnte es an der Uni gelernt haben. Vielleicht können ja die eifrigen Leserbriefschreiber etwas mit solchem Allgemeinwissen anfangen, in den Wirtschaftsredaktionen der Medien wird einfach gemauert, da frönt man weiterhin dem neoliberalen Aberglauben, dass der Markt schon alles trefflich regle und dass man auf einem guten Weg sei zur marktkonformen Demokratie. Ich schicke Ihnen mal einige Anmerkungen, die sicher von keiner Wirtschaftsredaktion ohne inhaltliche Verfälschung zur Veröffentlichung angenommen werden könnten.

Den Blickwinkel ändern, Neues bemerken und Alternativen entdecken

Eigentlich habe ich ja nichts Neues zu berichten, alles ist bekannt, sollte den studierten Fachleuten jedenfalls bekannt sein. Und es dürfte einem Normalverbraucher keine Schwierigkeiten bereiten, das alles mit gesundem Menschenverstand zu verstehen. Aber seltsam, fast keiner will davon etwas wissen. Ob es sich dabei um Linke oder Rechte handelt, um Geldfachleute oder -reformer, um studierte Ökonomen oder Gewerkschaftler, man will einfach nicht darüber nachdenken. Und veröffentlichen will man so etwas auf keinen Fall. Bei Ökonomen und Normalsterblichen sind die Grundsätze von Buchhaltung und Bilanzierung unbestritten, ebenso die darauf aufbauende volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Da gibt es immer zwei per def. gleiche Seiten wie Soll und Haben, Einnahmen und Ausgaben, Geldvermögen und Geldschulden (wie immer abgegrenzt), Exporte und Importe global, die sich immer zu Null addieren.
Wenn man die Ausgaben an einer Stelle um einen bestimmten Betrag kürzt, dann sinken die Einnahmen an anderer Stelle um mindestens denselben Betrag, wenn alle Geldschulden getilgt werden, dann gibt es auch keine Geldvermögen mehr, und die Wirtschaft ist kollabiert. In der
öffentlichen und veröffentlichten Diskussion scheint man solche Banalitäten verdrängt zu haben. Bei Ökonomen, jedenfalls solchen ohne ideologische Scheuklappen, gibt es auch keinen Streit darüber, dass Wirtschaft nur dann funktionieren kann, wenn alle wirtschaftlich relevanten
Angelegenheiten gesetzlich geregelt sind. Und diese gesetzlichen Regelungen werden von Politikern gemacht und durchgesetzt. Wenn eine solche gesetzliche Regelung ihren Zweck nicht erfüllt, nicht zielführend ist, dann wird ein verantwortungsvoller Politiker sie modifizieren oder kassieren und durch ein besseres Gesetz ersetzen. Nebenbei bemerkt: Politiker können und dürfen sich nicht wie Theologen oder Juristen verhalten, die Gesetze auslegen und für deren Einhaltung Sorge tragen, Politiker haben eben diese Gesetze zu verfassen, zu gestalten unter dem Gesichtspunkt, dass sie der Wohlfahrt und Nachhaltigkeit der Gesellschaft dienen. Oberste Gerichte müssen Politiker an diese Pflichten erinnern, sie in wichtigen Fällen dazu auffordern, notwendige gesetzliche Regelungen zu beschließen. - Dieses Primat der Politik wird von allen Politikern in Sonntagsreden beschworen, es wäre zu wünschen, dass es auch im Alltag gilt. Jedenfalls sollte der mündige Wahlbürger den Politikern nicht erlauben, dass sie sich aus der Verantwortung stehlen, indem sie sich auf Sachzwänge berufen. Bei solcher Betrachtung der Lage kann es solche Sachzwänge nämlich gar nicht geben.
Nach der Aufgabe des Goldstandards wurde von Ökonomen zur Kenntnis genommen, dass es weltweit nur noch fiat money gibt, dass sich die staatliche Theorie des Geldes in der Realität durchgesetzt hat, nach der Geld ein staatliches Konstrukt ohne eigenen Wert ist. Diese staatliche Theorie des Geldes (Chartalismus) wurde von Modern Monetary Theory unter Einbeziehung der Einsichten von Keynes, Lerner, Minsky u.a. weiterentwickelt und mit dem Konzept von Jobgarantie verbunden. MMT kam dabei schlüssig und logisch einwandfrei zu der Feststellung: Ein souveräner Staat mit eigener Währung hat bei der Finanzierung seiner Ausgaben und Aufgaben keine Schwierigkeiten, wenn er sich nicht in fremder Währung verschuldet; als Herausgeber der eigenen Währung durch die staatliche Institution Zentralbank ist er im Prinzip nicht auf Einnahmen durch Steuern, Abgaben oder Anleihen angewiesen, diese dienen vielmehr politischen Zielen wie der Korrektur von Marktergebnissen, der Verhinderung von Inflation usw. Wenn nun ein solcher Staat zwecks Bezahlung seiner Ausgaben sein eigenes Geld direkt in den Wirtschaftskreislauf einschleust, in den Privatsektor (Privathaushalte und Unternehmen des Inlandes) einspeist, dann kann es keine Forderung nach Zinszahlung oder Schuldentilgung seitens des Privatsektors oder Auslandes geben, da der Staat ja nur bei sich selbst verschuldet ist. In der Realität und Realwirtschaft verwandeln sich diese virtuellen Schulden in öffentliches Vermögen, in Infrastruktur im weitesten Sinne. Natürlich lassen sich diese fiktiven Schulden rein theoretisch tilgen, wenn der Staat dieses öffentliche Vermögen zu Herstellungspreisen an den Privatsektor verkauft (privatisiert) und die dabei erzielten Einnahmen an die Zentralbank zwecks Tilgung der "Schulden" weiterreicht. Dann fehlt das Geld allerdings im Privatsektor und in der Privatwirtschaft.
Um es klar und deutlich zu wiederholen: Es muss klar unterschieden werden zwischen dem Staatssektor und dem Privatsektor, es muss demzufolge auch ein zweistufiges Bankensystem geben: die Zentralbank ist als staatliche Institution dem Staatssektor zugeordnet, im Privatsektor gibt es ein zweites Bankensystem, das mit dem Privileg ausgestattet ist, dass es Geld „schöpfen“ darf und Kredite vergeben , und das sorgfältig reguliert und beaufsichtigt werden muss. Eine staatliche Finanzierung, die zu virtuellen Schulden führt, ist bislang verboten, weil das starken wirtschaftlichen Interessen widerspricht, und ist entsprechend gesetzlich geregelt ist. Diese virtuellen Schulden müssen gedanklich scharf unterschieden werden von den Schulden, die ein Staat macht, wenn er Anleihen auflegt und diese an den Privatsektor verkauft zwecks Erzielung von Einnahmen; solche staatlichen Anleihen werden im Privatsektor gehandelt, dafür müssen Zinsen gezahlt werden, diese Schulden müssen auch getilgt werden.
Angesichts des riesigen Investitionsstaus gerade im öffentlichen Bereich sollte es an der Zeit sein, auf diesem Wege (mittels virtueller Schulden) öffentliches Vermögen aufzubauen, zu investieren und mit der Manie von Privatisierung aufzuhören, mit dieser Verschleuderung des öffentlichen Vermögens. Denn mangels Gewinnaussichten wird ja von den Privatunternehmen seit längerer Zeit nicht mehr in die Realwirtschaft investiert, entsteht also auch da eine Investitionslücke.
Sicher, ein gewöhnungsbedürftiger Denkansatz, aber das ist kein hinreichender Grund, um jede Diskussion darüber zu verweigern. Und mir geht es zunächst einmal darum, dass so etwas ernsthaft diskutiert wird. In diesem Falle könnte man nämlich dank besserer Diagnose die Banken- und Finanzkrise von ihren Ursachen her angehen und sogar lösen. Und das ewige Gerede über die Staatsschulden könnte ad acta gelegt werden, weil es schlichter Aberglaube ist. Natürlich ist mir auch klar, dass es erhebliche Schwierigkeiten geben wird bei der Regelung des Finanzbereichs im Privatsektor, wo es vornehmlich um Privilegien geht und deren Verteidigung. Aber vielleicht würde die Finanzkrise dann nicht mehr alle anderen Probleme aus den Blickwinkel verdrängen, könnte sich die Politik ernsthaft mit den wirklich wichtigen Themen der Nachhaltigkeit beschäftigen. Ich gebe die Hoffnung jedenfalls nicht auf, vielleicht ist der Mensch ja kein Irrläufer der Natur, wie A. Koestler meinte, der scheitert, weil er seine Lebensgrundlagen vernichtet.
Falls man übrigens an einer gut lesbaren und mit historischen Fakten gespickten Darstellung der gegenwärtigen Wirtschaftslage interessiert ist, dann kann ich ohne Vorbehalt empfehlen "Der Sieg des Kapitals" von Ulrike Herrmann; ich habe bei der Lektüre eine Menge gelernt. Und falls man einen logischen Fehler in meiner Argumentation entdeckt, dann teile man mir das bitte mit; ich falle anderen nämlich nicht gern mit Unsinn auf den Wecker.

PS 1: Financial debt is a debt, but government debt is financial wealth to the private sector (jedenfalls bei keiner Auslandsverschuldung in fremder Währung und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht; R. Wray, einer der Pioniere von MMT)
PS 2: Den USA gelingt es bislang immer noch, sich auch im Ausland in eigener Währung zu verschulden, so dass sie keine Schwierigkeiten bei der Zinszahlung haben; die Staatshaushaltsprobleme und die Schuldenobergrenze sind hausgemacht; der Gesetzgeber könnte diese gesetzliche und finanzielle Selbstfesselung der Politik per Gesetz auflösen, falls Wall Street das erlauben würde, was unwahrscheinlich ist. Es müsste ein zweistufiges Bankensystem installiert werden mit der Zentralbank als staatlicher Institution einerseits, dem Bankensektor im Privatsektor andererseits, wie von MMT vorgeschlagen.

Vielleicht können Sie ja etwas damit anfangen, vielleicht ist es ja eine Anregung zum eigenen Nachdenken.

Wilfried Müller


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