Der SZ-Korrespondent Peter Münch spricht immer noch von Israel als der "einzigen Demokratie im Nahen Osten", obwohl es doch offensichtlich ist, daß es sich allenfalls um eine Demokratie v. a. für die Juden Israels handelt, also eher um eine Ethnokratie.
Er ist der Meinung, daß Boykottaktionen Israel "zu einseitig die alleinige Verantwortung" für das Nichtzustandekommen eines Friedensvertrages zuschreiben. Als wenn die Siedlungspolitik, sprich die koloniale Landnahme - und genau darum handelt es sich - nicht das Haupthindernis für eine Zwei-Staaten-Lösung wäre. Durch die andauernde Schaffung von Fakten, die die Palästinenser hinnehmen sollen, gibt es mittlerweile gar kein zusammenhängendes Territorium mehr, auf dem ein lebensfähiger Staat entstehen könnte.
Nico Fried wiederholt auch die vor Jahren schon - in der SZ selbst (etwa durch Erhard Eppler und Katajun Amirpur) - widerlegte Unterstellung, Ahmadinedshad habe Israel "von der Landkarte radieren" wollen. Dabei hatte dieser keineswegs Israel ins Visier genommen, sondern - so wörtlich - „das zionistische Besatzungsregime in Jerusalem", welches "in den Annalen der Geschichte verschwinden" werde. Er hat sich also - Forderung des Völkerrechts - für die Aufhebung der Besetzung der heiligen Stätten des Islams ausgesprochen, nicht mehr und nicht weniger.
Peter Münch wiederum tischt erneut die Mär von der Hamas auf, die angeblich "weiterhin Verhandlungen mit Israel ablehnt". Sollte ihm entgangen sein, daß die Hamas Verhandlungen des Präsidenten der PA, der „Palästinensischen Autonomiebehörde“, ausdrücklich zugestimmt hat unter dem Vorbehalt, daß die Ergebnisse einer Volksabstimmung unterworfen werden, daß sie sich im Wahlprogramm von 2005 und im Regierungsprogramm von 2006 expressis verbis für die Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen hat, damit zumindest indirekt Israel anerkannt hat?
Dies könnte durchaus Basis für Gespräche sein, wenn Israel diese denn wollte.
Sodann macht Peter Münch sich den zionistischen Diskurs mit der Behauptung zu eigen, Israel habe sich aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Dieser "Rückzug" war reine Augenwischerei. Der Wärter hat das Gefängnis verlassen und es hermetisch abgeriegelt. Jimmy Carter bezeichnete die vom Westen unterstützte Blockade des Gazastreifens als ein "schweres Verbrechen am palästinensischen Volk". Kein Wunder, daß dort "immer wieder gekämpft wird". Sollen die Palästinenser diese menschenverachtende Abriegelung klaglos und demütig hinnehmen? Die UNO sieht voraus, daß der Gaza-Streifen 2020 unbewohnbar sein wird, wenn der völkerrechtswidrige israelische Würgegriff nicht beendet wird.
Schmerzlich vermißt man in unseren Leitmedien eine Berichterstattung über die nahezu täglich erfolgenden zumeist völker- und menschenrechtswidrigen israelischen Maßnahmen, Über- und Angriffe in den besetzten Gebieten und auch in Israel selbst (etwa die kontinuierlichen Häuserzerstörungen), die als Dauerterror zu bezeichnen, nur allzu gerechtfertigt ist. Jüngst erst haben das Internationale Rote Kreuz, das sich ansonsten grundsätzlich politischer Stellungnahmen enthält, sowie Amnesty International (im jüngsten Report) in deutlichen Worten die völkerrechtswidrige Politik Israels an den Pranger gestellt. Aber in unseren Leitmedien, auch in der SZ, in denen – soweit mir bekannt - mit keinem Wort auf diese Berichte eingegangen wurde, erscheint Israel tendenziell als das "ewige Opfer", das sich immer nur "verteidigt", was angesichts der realen (Macht-)Verhältnisse auf eine Irreführung der Öffentlichkeit hinausläuft.
Und daß Nico Fried schreibt, Europa bringe allein "zu wenig auf die Waage, um in der Region politisch ins Gewicht zu fallen", ist angesichts der enormen Bedeutung Europas für die israelische Wirtschaft schlicht nicht nachvollziehbar.
Leserbrief zu „Deutsche Regierung in Israel (SZ, 26. 2., S. 2)
Es ist ein Trauerspiel! Nachdem Merkel sich wieder einmal sonnen durfte in ihrer Rolle als Interessenvertreterin der zionistischen Regierung – sie wurde dafür ja auch mit Preisen und Ehrungen überhäuft -, belehrt sie die Weltöffentlichkeit folgerichtig, daß Boykottmaßnahmen gegen den rechtsvergessenen “jüdischen“ Staat keine Option seien, da sie den Friedensprozeß - so Netanyahu – „zurückwerfen“. Also, einerseits dürfen sich die Palästinenser nicht mit Gewalt gegen die völkerrechtswidrige und menschenrechtsverletzende Besatzung wehren, obwohl ihnen dies nach dem Völkerrecht zusteht, andererseits will man ihnen das letzte Druckmittel, über das sie verfügen, den strikt gewaltlosen Boykott, jetzt auch noch verwehren. Hat die israelische Regierung nicht hinlänglich bewiesen, daß gutes Zureden und Ermahnungen an ihr wirkungslos abprallen? Die Palästinenser haben sich damit abgefunden, daß v. a. der Westen sie zwang, mit dem Verlust von mehr als der Hälfte ihrer Heimat sowie ihrer Freiheit für Verbrechen (Antisemitismus und Holocaust) zu bezahlen, an denen sie völlig unschuldig waren. Sie geben sich mittlerweile sogar – nahe an der Selbstaufgabe - mit einen Staat auf nur noch 22 Prozent ihres angestammten Territoriums zufrieden – entgegen den gebetsmühlenartig vorgetragenen Behauptungen seit 2005 offiziell auch die Hamas! Und jetzt wird ihnen darüber hinaus auch noch zugemutet – so der SZ-Korrespondent Peter Münch –, „kompromißbereit“ zu sein. Sie sollen Israel als „jüdischen“ Staat anerkennen – eine bis vor kurzem zurecht nie erhobene absurde Forderung angesichts des multikulturellen und –religiösen palästinensischen Umfelds und bei ca. 25 Prozent nichtjüdischer Bevölkerung. Großzügig wird auch darüber hinweg gegangen, daß die Palästinenser in jeder der drei zentralen Streitfragen – Grenzziehung, Status Jerusalems, Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge – das Völkerrecht auf ihrer Seite haben. Insofern klingt die Formulierung von Peter Münch, daß ihre Führung ihnen “seit Jahrzehnten ein Recht der Rückkehr predigt“, also gewissermaßen einredet, gerade so, als stünde ihnen dieses eindeutige Recht gar nicht zu, oder zumindest sollten sie endlich darauf verzichten, nur damit die zionistische Kernforderung nach einer jüdischen Mehrheit auf jeden Fall realisiert bleibt. Die halsstarrigen Palästinenser sollen halt die durch gewaltsame ethnische Säuberung geschaffenen Realitäten gefälligst anerkennen! Abgesehen davon, daß Israel damit schon wieder ein nicht zu rechtfertigendes Sonderrecht zugestanden wird, ist die damit einhergehende Erbarmungslosigkeit gegenüber den Palästinensern – der Auschwitz-Überlebende Primo Levi nannte sie nicht umsonst „die Juden der Israelis“ – atemberaubend und bezeichnend für die deutsch-befindliche, philosemitische Überzeugung unserer politischen Elite, daß die - auch noch falsch verstandene - „Sicherheit Israels deutsche Staatsraison“ sei – „töricht“ nannte Altkanzler Schmidt dies trocken. Der ehemalige Knessetsprecher Avraham Burg wünscht sich, daß seine Landsleute Hitler endlich „besiegen“ mögen. Einem Großteil unseres politisch-gesellschaftlichen Establishments ist dies offensichtlich auch noch nicht gelungen.
Jürgen Jung