SZ vom 11. 1. 2014, S. 49
Bei der Kampagne gegen die Ausstellung zeigt sich auf Seiten der Kritiker eine befremdliche Geisteshaltung. Eine - übrigens schon zum hundertsten Mal gezeigte - Ausstellung wollen sie geschlossen sehen, da deren Aussage ihrer zionistisch-orientierten Ideologie widerspricht. Einseitig sei sie und fehlerhaft – und schon gilt sie in der Öffentlichkeit, so auch in der SZ, eilfertig als „umstritten“ und ist damit offensichtlich für jeden Anwurf freigegeben. Erklärungsbedürftig bleibt dabei allerdings, wie es sein kann, dass das Narrativ der palästinensischen Opfer der zionistischen Landnahme so genau übereinstimmt mit den Erkenntnissen der israelischen „neuen Historiker“. Selbst der „Hof“-Historiker Israels, Benny Morris, konzediert ohne weiteres, dass die Palästinenser ethnisch aus ihrem angestammten Land hinausgesäubert wurden: „Man kann kein Omelett machen, ohne Eier zu zerbrechen. Man muss sich die Hände dreckig machen.“ Allerdings bedauert er, dass nicht alle Palästinenser vertrieben wurden. Dann gäb es heute bedeutend weniger Probleme.
Seit dem letzten Weltkrieg haben wir hier in Deutschland durchweg das israelisch-zionistische Narrativ gehört. Ward dabei je der Vorwurf der Einseitigkeit vernommen? In den letzten Jahren erst überzeugt das palästinensische Narrativ eine stetig wachsende Zahl von desillusionierten Zeitgenossen, weil es in sich stimmiger, plausibler ist. Schließlich: wer hat hier wen vertrieben, wessen Land besiedelt und besetzt?
Der schlichte Verweis auf diese Tatsachen wird dann üblicherweise denunziert als „israelfeindliche Propaganda“. Wer weiß, vielleicht wird auch bei uns bald – wie in Israel seit 2010 - das öffentliche Gedenken der Nakba, der palästinensischen Katastrophe, unter Strafe gestellt?! Soviel zur „Wertegemeinschaft“, die wir angeblich mit dem „jüdischen“ Staat teilen.
Wieder einmal wird der Bote für die unerwünschte Botschaft geprügelt. Hier wird dem Organisator der Ausstellung dann unterstellt, er arbeite mit einem libanesischen Verein zusammen, der „zum Krieg gegen Israel erzieht“. Und dies ausgerechnet von den „falschen Israelfreunden“ (H. Siegman), die geflissentlich außer Acht lassen, dass Israel das vermutlich durchmilitarisierteste Land der Welt ist, in dem „Rassismus und Militarismus alles beherrschen“ – so die Professorin an der Hebräischen Universität Jerusalem, Nurit Peled-Elhanan, Trägerin des Sacharow-Preises für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments - , ein Land, in dem die Politik dominiert wird von allein auf Gewalt setzenden, zumeist aus dem Militär stammenden Politikern.
Und der 1994 verstorbene Naturwissenschaftler und Religionsphilosoph Yeshayahu Leibowitz - der israelische Staatspräsident Ezer Weizman nannte ihn „eine der größten Gestalten im Leben des jüdischen Volkes und des Staates Israel in den letzten Generationen“:
„Israel ist nicht ein Staat, der eine Armee hat – es ist eine Armee, die einen Staat hat.“ „Sie ist heilig und erfährt eine Bewunderung, die herausragend ist in der Welt.“ (N. Peled-Elhanan)
Ganz abgesehen davon, dass es Israel war, das erst vor einigen Jahren – irgendein Vorwand findet sich immer - den Süden des Libanon verwüstete und immer noch ein kleines Stück des Landes besetzt hält.
In dieser Situation, in der der Krieg, in dem sich der Libanon im Grunde immer noch befindet, stets auflodern kann, spielt natürlich auch im Kinder-Spiel, in Gesang und Tanz gerade der vertriebenen Palästinenser das Militärische eine ganz andere Rolle als im selbstgefälligen Deutschland, das sich heuchlerisch empört über die Gewaltorientierung derjenigen, die sich konfrontiert sehen mit der u. a. von uns hochgerüsteten viertgrößten Militärmacht der Welt.
Und zum Vorwurf, die Schule habe „einen Diskussionsabend veranstaltet, ohne Kritiker auf das Podium zu setzen“, lässt sich ironisch anmerken, dass wir bei jeder israel-freundlichen Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde etwa oder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Zukunft also auch einen Kritiker der israelischen Politik auf dem Podium erwarten dürfen!?!
Äußerst bedenklich ist allerdings, dass der Artikel in der SZ, die - wie man hört - nicht einmal einen eigenen Berichterstatter zur Veranstaltung geschickt hat, welch letztere vor allem den Schülern die Gelegenheit zu Nachfragen an die wissenschaftlichen Begleiter der Ausstellung geben sollte, sich in erster Linie auf die Argumente der Kritiker stützt und so nebenbei auch einen ganz falschen Eindruck von dem Abend vermittelt, an dem die Verteidiger der Ausstellung – gemessen am Applaus und offensichtlich auch nach den Äußerungen der Schüler – deutlich größere Resonanz fanden.
Glücklicherweise gilt für ein wachsendes Publikum: „Man kann alle Leute eine Zeit lang und einige Leute zeitweilig, aber nicht alle Leute die ganze Zeit täuschen.“ (A. Lincoln)
Jürgen Jung,
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