Recep Tayyib Erdogan hat anlässlich der am Freitag, 24. Januar 2020 gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel durchgeführten Eröffnung der Türkisch – Deutschen Universität in Istanbul die „Deutsch – Türkische Freundschaft“ beschworen. Die Erwartungen der Türkei an Deutschland sind unverändert umfangreich. Vorrangig für die Türkei ist zurzeit der Erhalt von Unterstützung bei der Finanzierung der durch die Flüchtlingsströme in der Ägäis für die Türkei entstehenden Kosten. Das Daueranliegen im Hintergrund ist natürlich der Traum der Türkei vom Beitritt zur EU. Es ist höchste Zeit, dass die Türkei einmal auf die Träume und Erwartungen anderer an die Türkei aufmerksam gemacht wird. Der gröbste Brocken auf dem Weg zum EU – Beitritt der Türkei ist das ungeregelte türkisch – kurdische Verhältnis. Die Kurden sind ein Volk wie die Türken und die Deutschen, mit einem Unterschied: das Recht auf ein eigenes Territorium wird ihnen nicht zugestanden. Solange die Europäer fortfahren, auf den Zug mit der türkische Lesart von der „verbotenen Arbeiterpartei PKK“ aufzuspringen, anstatt endlich die Erkenntnis zu akzeptieren, dass es sich hier um den Freiheitskampf des kurdischen Volkes handelt, der von der Türkei unterdrückt wird – unter Ignorierung des im Völkerrecht verankerten Rechts auf Selbstbestimmung der Völker – besteht die Gefahr, dass mit dem EU – Beitritt der Türkei eine beständig eiternde Wunde in die Europäische Gemeinschaft hineingetragen wird, die Europa belasten wird. Außerdem muss Erdogan sich fragen lassen, wie die schleichende Rückwärts – Entwicklung des von Atatürk geschaffenen nach Westen orientierten Staates Türkei zu einem konservativen islamischen Staat mit dem angedachten Beitritt zur EU vereinbar ist.
Die EU sollte sich ferner von Erdogan erklären lassen, welche Ziele er mit den zahlreichen militärischen Aktivitäten in Syrien und Libyen verfolgt und ob die zum Ziel des EU – Beitritts passen. Wenn er eine Neuschöpfung des Osmanischen Reiches anstrebt, muss er seine Finger von der EU lassen. Erdogan muss klipp und klar gesagt werden, dass die Türkei sich nach einem EU – Beitritt keine eigene Außenpolitik mehr leisten kann. Auch sollte die EU keine Zweifel daran lassen, dass die in der Türkei vorhandenen Demokratie – Defizite vor einem EU – Beitritt abgebaut werden müssen.
Forderungen der EU an die Türkei vor deren EU – Beitritt :
- Entweder Gründung eines souveränen Staates Kurdistan im Zusammenwirken mit den Nachbarstaaten mit eigenen Kurdengebieten, dem Iran, dem Irak und Syrien oder aber Gründung einer vollständig autonomen Provinz Kurdistan innerhalb der Türkei, in welcher die Kurden vollständig „in Ruhe“ gelassen werden.
- Verzicht auf eine nicht mit Brüssel koordinierte Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Sicherheitspolitik im Mittelmeerraum.
Die EU sollte aus ihren Fehlern beim Beitritt der Visegrad – Staaten lernen, die sich „die Rosinen aus dem EU – Kuchen herauspicken“(Bitte keine Flüchtlinge, bitte viel Geld aus Brüssel, bitte keine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten!“ Ein weiteres Mitglied mit dieser Einstellung kann die EU nicht gebrauchen. Otfried Schrot