Der deutsche Außenminister Maas hat anlässlich seines jüngsten Besuches in Ankara den Wunschzettel der Türkei an die EU entgegengenommen: eine Liberalisierung der Visa – Regeln für türkische Staatsbürger, eine Erweiterung der Zollunion mit der EU, eine Überarbeitung der Flüchtlingsvereinbarung vom März 2016 – und vor allem : Waffen, Waffen, Waffen – für die es bis jetzt keine Exportgenehmigung der Bundesregierung gibt.
Die Gegenforderung der EU sollte lauten:
1.) Fortsetzung der türkisch – griechischen Gespräche über die wirtschaftliche Nutzung der Ägäis unter Führung eines neutralen Mediators als Dreiergespräch, da Zweiergespräche zwischen den beiden Staaten erfahrungsgemäß zum Streit bis an den Rand des Krieges führen.
2.) Akzeptierung eines unabhängigen Staates Kurdistan, wie er den Kurden bereits im Vertrag von Sèvres am 16. August 1920 versprochen worden ist und alsbaldige Aufnahme von Dreiergesprächen zur Gründung dieses Staates zwischen der türkischen Regierung und einer gewählten kurdischen Vertretung unter Vorsitz eines neutralen Mediators, da ohne einen solchen diese Gespräche mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern dürften.
3.) Verzicht auf deutsche Waffenlieferungen, da nach der Gründung eines Staates Kurdistan weitere militärische Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden überflüssig sind. Herr Erdogan sollte sich angewöhnen, Konflikte mit dem Gehirn zu lösen und nicht mit Panzern! Kriege erzeugen Flüchtlingsströme, an denen weder die Türkei noch Deutschland ein Interesse haben!
4.) Rechenschaftsablegung der Türkei gegenüber der EU und der NATO über ihre langfristigen außenpolitischen Ziele, da der Kauf von militärischem Gerät in Russland und die Einmischung der Türkei in den Krieg zwischen Armenien und Aserbeidschan in den Augen von EU und NATO keine vertrauensbildenden Maßnahmen gewesen sind.
Empfehlung an Außenminister Maas: seien Sie nicht zu beflissen gegenüber den Türken und fragen Sie Herrn Erdogan gelegentlich – in Anbetracht des Beitrittswunsches zur EU – ob er sich eigentlich als Europäer fühlt. Die Umwidmung der Hagia Sofia von einem Museum zu einer Moschee bestärkt den aufmerksamen Europäer nicht in dieser Annahme! Ein europäisch denkender türkischer Staatspräsident hätte die Hagia Sofia am 10. Juli 2020 der griechisch – orthodoxen Kirche zurückgegeben, der sie bis zum 29. Mai 1453 gehört hat – und damit zugleich ein Meisterwerk für eine dauerhafte griechisch – türkische Aussöhnung erbracht! Das wäre das Verhalten eines politischen Genies gewesen! Im Übrigen – ob es Allah wohlgefällig ist, wenn seine Gläubigen in einem geraubten Gotteshaus zu ihm beten, sollte man nicht als selbstverständlich annehmen.
Otfried Schrot