Die Auflösung des Warschauer Paktes am 1. Juli 1991 ist eine verpasste Sternstunde für die Welt gewesen. Russland lag wirtschaftlich erledigt am Boden und stellte für den Westen keine Gefahr mehr dar. Wenn die NATO auch aufgelöst worden wäre, könnten wir heute das Paradies auf Erden haben. Stattdessen suchte Bill Clinton ab 1993 überflüssiger Weise nach einer neuen Aufgabe für die NATO, weil sonst zu viele Planstellen hätten gestrichen werden müssen. Aller Kummer, den wir heute zwischen Russland und der NATO haben, ist die Folge dieser Unterlassung!
Berliner Zeitung - In diesen Tagen ist viel mit sorgenvollem Unterton über die Konzentration russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine berichtet worden. Moskau sprach stets von zeitlich begrenzten Manövern, und der jetzt angekündigte Rückzug der Soldaten scheint dies zu bestätigen. Es ist bemerkenswert, dass ganz ähnliche Aktivitäten der USA und ihrer Nato-Verbündeten zur gleichen Zeit im Westen Russlands in der Öffentlichkeit praktisch unerwähnt geblieben sind, obwohl der übergeordnete Zusammenhang auf der Hand liegt. Bereits seit dem März laufen hier die Vorbereitungen für eines der größten Manöver in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges. Unter dem Namen „Defender Europe 2021“ werden mehr als 28.000 Soldaten aus 26 Nationen die Verlegung von Truppen und Material und die Zusammenarbeit mit den USA üben. Kommentar: Jetzt hat die „edle und anständige NATO“, deren Führer im Pentagon sitzen und die nur zu Verteidigungszwecken 1949 gegründet wurde, um die bösen Kommunisten in Moskau abzuschrecken, endlich „die Katze aus dem Sack gelassen!“ Die NATO veranstaltet unter Einschluss von Nicht – NATO – Staaten ein militärisches Großmanöver, also eine Demonstration der Umzingelung Russlands! Das ist keine „Defensive“ mehr, sondern eine „aggressive Umarmung“! Die Führer der NATO waren sich vollkommen klar darüber, dass Russland darauf reagieren würde. Das bedeutet, dass die Provokation von der NATO gewollt war!!!Fazit: die USA sind an einem Abbau der Spannungen mit Russland nicht interessiert! Dazu passt die undiplomatische Beschimpfung Putins durch den amerikanischen Präsidenten Joe Biden mit der Bezeichnung „Mörder“! Die NATO hat mit der Beteiligung von nicht zur NATO gehörigen Staaten an einem NATO – Militärmanöver die Grenze des wechselseitigen Respektes gegenüber Russland überschritten. Hiermit hat die angeblich defensive NATO die Maske des vertrauenswürdigen, von ehrlichen Absichten erfüllten Militärbündnisses abgelegt. Wenn die Übung „NATO – Defender“ 2021 sich gegen niemand richtet, hätte man sie ja zur Vermeidung von Missverständnissen auch in Australien im „outback“ durchführen können! Dann wäre die dreiste Behauptung sogar glaubwürdig gewesen. Aber man brauchte ja ein ganz bestimmtes geographisches Terrain für eine Kriegsübung, die sich gegen "niemanden" richtete!
Weshalb das alles?? Wo liegt „der Hund begraben“? 1.Die politischen Entscheider im Kongress der Vereinigten Staaten brauchen Millionen von Dollars, um bei Kongresswahlen eine Chance zu haben, gewählt oder wieder gewählt zu werden. 2.Die Mehrzahl der Abgeordneten des Kongresses der USA sind Millionäre und müssen es aus dem erwähnten Grunde auch bleiben. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Mehrzahl von ihnen Aktionäre der amerikanischen Rüstungsindustrie sind. Sie tragen aus wohlverstandenem Eigennutz auch eine Mitverantwortung dafür, dass ihre politischen Entscheidungen die Auftragsbücher der Rüstungsindustrie füllen, die sich dafür mit „Parteispenden“ bedankt. 3.Das dürfte die Tatsache erklären, dass die USA der größte Rüstungsexporteur der Welt sind. 4.Damit dieser Zustand erhalten bleibt, müssen die internationalen Spannungen, vor allem mit Russland, sorgfältig gepflegt werden, um gegenüber den einfältigen Steuerzahlern eine Rechtfertigung für die regelmäßige Erhöhung der Rüstungsausgaben zu haben. Die NATO will zwar keinen Krieg, wohl aber einen „profitorientierten Frieden“ , in welchem für eine kleine Elite Gewinne erzeugt werden unter Inkaufnahme militärischer Spannungen als Voraussetzung für eine regelmäßige Steigerung der Rüstungsausgaben!
5. Frage an die Außenminister der USA, Russlands, Chinas und Deutschlands: Wie wäre es denn, meine Herren, wenn Sie sich einmal in einer gemütlichen Runde bei Whisky, Wodka, Reiswein oder Cognac zusammensetzen würden – zusammen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen – und das Konzept eines globalen Sicherheitssystems unter dem Dach der UNO entwickeln würden, welches eine weltweite stufenweise Abrüstung ermöglichen würde, so dass die freiwerdenden Gelder in eine Befriedigung der sozialen Bedürfnisse der Menschheit investiert werden könnten? Vergessen Sie doch einmal Ihre persönlichen Macht – und Geltungsbedürfnisse und widmen Sie sich den Millionen von “kleinen Männern und Frauen“ auf den Straßen der Welt, die unter Armut, Hunger, Krankheiten und Kriegen leiden, fangen Sie an, sich mit deren bescheidenen Wünschen und ihrer Erfüllung zu beschäftigen und trainieren Sie dabei eine Eigenschaft, die Ihnen wahrscheinlich im Laufe der Jahre abhanden gekommen ist: Erbarmen mit den Hilflosen und Wehrlosen auf dieser Welt!
Otfried Schrot Oberstleutnant a.D. Autor des Buches „Zwanzig Appelle eines Zornigen an die Welt oder der Ersatz für den Krieg“ (Ein mit der Sicherheitspolitik der NATO ganz und gar nicht einverstandener ehemaliger Berufsoffizier der Bundeswehr)