Der Präsident der USA hetzt die EU, die NATO und Japan gegen Russland und China auf mit dem Vorwurf, die beiden Staaten betrieben Hackerangriffe gegen den Westen. Es ist für den Außenstehenden nicht erkennbar, ob dafür überhaupt Beweise vorliegen. Nach deutschem Recht gilt vor erfolgter Beweisführung die Unschuldsvermutung. Bedauerlicherweise hat Joe Biden Probleme, seine Abneigung gegen die beiden Herren an der Spitze der beiden Staaten zu unterdrücken. Priorität 1 sollte bei ihm die Erkenntnis haben, dass die Menschheit nur eine Überlebenschance hat, wenn die großen Atommächte USA, China und Russland von der Konfrontation gegeneinander ablassen und im Rahmen der UNO ein gemeinsames Konzept vom Weg der Menschheit in die Zukunft erarbeiten.Voraussetzung dafür – solange sie in ihren Ämtern sind – ist eine sorgfältig gepflegte persönliche Kommunikation zwischen Präsident Biden, Präsident Putin und Präsident Xi Jinping. Joe Biden hat sich seit seinem Amtsantritt nur einmal mit Putin getroffen und noch kein einziges Mal mit Xi Jinping. Statt dessen stößt er laut gegen die beiden ins Horn.
Wie unklug! Weshalb keine leise Diplomatie fernab von den Medien? Weshalb bespricht Biden die Frage, ob Hackerangriffe oder nicht stattgefunden haben, nicht unter vier Augen mit den beiden anderen Staatschefs? Dann wird nicht so viel Porzellan zerschlagen. Öffentlicher Lärm eskaliert im ungünstigsten Falle zu Aufmärschen der Streitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft der beteiligten Streithähne.
Will Biden einen Zweifrontenkrieg der NATO gegen Russland und China? Wollen ihn die Europäer? Wir Europäer sollten uns nach den Erfahrungen in Afghanistan energischer von den Streitigkeiten distanzieren, welche die USA ziemlich leichten Herzens vom Zaun brechen, ohne die Verbündeten zu fragen. Ein gutes Verhältnis zu Russland und China ist definitiv im Interesse Europas. Wenn die USA sich unbedingt prügeln wollen, sollen sie das allein tun und nicht immer wieder unter Berufung auf das Bündnis andere hineinziehen.Leider ist bisher noch keine europäische Stimme zu hören gewesen, die Europas Interessen gegenüber den USA klargestellt hat. Nicht wenige Deutsche werden denken, dass die 12,5 Milliarden EURO, die Deutschland als treuer Bündnispartner für den Afghanistan – Krieg ausgegeben hat, hier und heute bei der Behebung der Schäden der jüngsten Hochwasserkatastrophe von großem Nutzen sein könnten, wenn wir sie noch hätten.
Otfried Schrot