Bei einer solchen Rückbesinnung stolpert man als erstes über den Begriff der Menschenwürde, die unantastbar ist, wie es im Grundgesetz heißt. Der Begriff ist nicht sehr „kantig“ umrissen. Beim Anhören von Wahlreden lässt es sich jedoch nicht vermeiden, dass man sich schon fragt, ob das Ausgießen von Hohn und Häme über die politischen Rivalen so wie deren geringschätzige Abwertung sowohl ihrer Person als auch ihrer Absichten und Meinungen den Rahmen der Achtung der Menschenwürde des Angegriffenen nicht überschreitet. Aus diesem Grunde sollte am Ende eines Wahlkampfes eine offizielle juristische Bewertung der Frage erfolgen, ob die Kandidaten die Menschenwürde ihrer Mitbewerber respektiert oder missachtet haben. Als zweites stellt sich die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Aussagen der Kandidaten. Auch hier sollte nach dem Ende des Wahlkampfes eine offizielle Bewertung erfolgen. Für die Regierungsbildung sollte gesetzlich ein zeitlich fester Rahmen gesetzt werden. Der Staat ist zwischen dem Wahltag und der Arbeitsaufnahme der künftigen Regierung führerlos wie ein Schiff ohne Kapitän. Die kommissarisch noch tätige Regierung kann keine in den Zuständigkeitszeitraum der künftigen Regierung hineinwirkenden Entscheidungen treffen. Außerdem erfordert die schnelle außenpolitische Entwicklung die fortlaufende Beobachtung durch eine Regierung, die ohne Einschränkungen im Amte ist.
Eine deutsche Besonderheit ist das Wachstum des Parlaments. Es stellt sich die Frage, ob die größere Anzahl von Abgeordneten auch eine höhere Qualität der parlamentarischen Arbeit gewährleistet. Der Volksmund sagt zu dieser Frage: „Viele Köche verderben den Brei!“ Bei der Erinnerung an Fernsehaufnahmen früherer Bundestagssitzungen, die immer eine Mehrheit leerer Abgeordnetensitze gezeigt haben, drängt sich die Frage auf, ob es neben Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten möglicherweise auch Versorgungsmandate gibt.
Da die Demokratie vom Wechsel lebt, was gern vergessen wird, und „andere auch einmal an die Reihe kommen wollen“, sollte kein Politiker öfter als drei Mal Bundeskanzler werden dürfen. Das gleiche sollte auch für Abgeordnete gelten.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Anregungen in der deutschen Demokratie auf fruchtbaren Boden fallen werden.
Otfried Schrot