Politische Chimäre: Selbstwirksamkeit
Ohne angemessene Reaktion auf sein Schreien erleidet ein neugeborenes Kind, ein Säugling, Todesangst. Wir erfahren sehr früh was „Selbst-Wirksamkeit“ ist: Aufgrund eines „Tuns“ unsererseits erzielen wir eine Wirkung. Das haben wir sehr früh gelernt. Wenn es lange dauert bis die Reaktion auf unser Schreien als Neugeborenes erfolgt, hat das schwerwiegende Folgen, wie inzwischen landläufig bekannt ist, aber darum geht es hier nicht.
Es geht darum, dass wir alle von Kindesbeinen an Wirkung(en) erzielen (wollen) und auch Wirkungen erzielen Können. Das haben wir von unserer Geburt an erlebt, also von allem Anfang an.
So geht es uns auch mit Wahlen. Wir wollen mit unserer Wahl etwas erreichen, Wirkung erzielen. Welche Wählerin, welcher Wähler, hat Einfluss auf das tatsächliche Handeln, die konkreten Entscheidungen, das wirkliche Tun der Person oder der Gruppe genommen, die sie oder er gewählt hat?
Wir haben nicht aus dem Nichts heraus das Gefühl, dass „Die da oben“ machen was sie wollen. Es kann durchaus ein Gefühl aufkommen, das den Gefühlen und Kindern entspricht und in der Folge ähnliche Reaktionen auslöst: Es geht nicht nach dem was ich bewirken will, was ich gerne hätte, vielmehr werde ich entmündigt und „Die“ beachten mich nicht.
Nicht nur Kinder reagieren dann z.B. mit Frustration oder Trotz oder werden rebellisch. Wir erleben die Rebellion, den Frust und den Trotz ja seit geraumer Zeit – Reaktionen aus dem Kind-Ich (vgl. Eric Berne und Nachfolgende).
Auf der anderen Seite erfahren wir die „Eltern“, die einerseits eine Art „Fürsorglichkeit“ zeigen, zumindest spielen, andererseits als gängelnde „Eltern“ auftreten und uns bevormunden wollen, Beispiele aufzuzählen halte ich für müßig.
Prima wäre es, wenn versucht würde aus dem „Erwachsenen-Ich“ heraus, also sachdienlich, zu agieren, zielführend, um Probleme zu lösen – und zwar möglichst undogmatisch und ohne ideologische Scheuklappen. Als Beispiel nenne – wie bereits im letzten Jahr – die Energiepolitik. Die Entsorgung des Nuklearmülls aus den Alt-AKW ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit möglich, durch Dual-Fluid-Anlagen. Wir könnten damit schon viel weiter sein, wenn die entsprechenden Mittel bereitgestellt worden wären. Ich möchte hier nicht über das „Für und Wider“ debattieren, das bringt nichts.
Das vorstehende Beispiel soll im Grunde nur dafür stehen, dass wir als Wähler keinen Einfluss auf Entscheidungen haben und uns mit „Argumenten“ aus den Ebenen von „Eltern-“ und / oder „Kind-Ich“ offenbar zufrieden geben (müssen). Übrigens: Das „Eltern-Ich“ kann im Groben mit dem „Über-Ich“ bei Freud verglichen werden, das „Kind-Ich“ mit dem was Freud als „Es“ bezeichnet hat.
Wer glaubt, dass man durch Stimm-Abgabe bei politischen Wahlen bei konkreten Entscheidungen Wirkung erzielen kann, möge nochmals in sich gehen. Als Lektüre seinen die Wahlgesetze und das Parteiengesetz empfohlen – vorher wären Diskussionen meines Erachtens Zeitverschwendung. Aufstehen ist nötig – und nicht wählen zu gehen ist auch nicht zielführend. Was die Bürgerbewegung in der DDR geschafft hat, das hat Selbstwirksamkeit bewiesen.
Jörg Stimpfig