- Das Erbe des Köpenicker Ratsbaumeisters Fritz Wolff
Story Digger Berlin 2024, 216 Seiten
Es ist doch immer wieder erstaunlich, was sich noch alles findet in den Archiven aller Orte. Bilder, Akten Handschriften, Entwürfe, ausgeführte und unverwirklichte, Handschriften –Wichtiges und zu Vernachlässigendes: Das eine vom anderen zu trennen ist ureigenste Handwerk von Historikern, Laien wie Fachleuten, die immer wieder fasziniert sind von den universalen Zusammenhängen, in die die Details einzuordnen sind. Auch Lorent B. Drescher ist Naturwissenschaftler – und nebenbei leidenschaftlicher Heimatforscher. Und als dieser hat er die Spur eines Baumeisters an der Schwelle zur Moderne, kurz vor der Bauhaus-Epoche aufgespürt: Ratsbaumeister Fritz Wolff aus Köpenick, daselbst 1879 als jüngstes Kind des Tischlermeisters Heinrich Wolff (1816-1892) geboren. Berlin verdankt ihm zahlreiche noch heute existierende Bauten, sowohl in Köpenick als auch in Friedrichshagen, Oberschöneweide, Grünau und in der Friedrichstraße in Kreuzberg. Wohn- und Geschäftshäuser, die Großgaststätte in der heutigen Salvador-Allende-Straße Köpenick, die Synagoge, das Krankenhaus, das Bootshaus, das Abspannwerk, die Fabrik Glanzfilm (später Kodak), Kathreiner Kaffee-Fabrik, Schule und Turnhalle sowie die Ratshaus-Erweiterung 1926 gehören in seine Werksliste. „mehr Sein als Schein“ war die Maxime, nach der er und seine Familie ihr Leben in der Metropole gestalteten, fleißig und bescheiden. Zu den Nationalsozialisten hielt er Distanz, mit den Kommunisten verband ihn nichts. Als er 1953 im Juni die DDR in Richtung West-Berlin verließ, war er ein armer Mann, der mit seiner Frau in einer 2 -Zimmerwohnung in Neukölln lebte.
Ungeachtet dessen stehen die meisten der von ihm gebauten Häuser nach wie vor.
Drescher belegt eindrucksvoll, wie in jener Zeit fleißiger und engagierter Arbeit Raum und Anerkennung gegeben wurde... und deckt zugleich noch eine weitere Seltenheit auf: es ist der Beginn der Maurerlehre von Margot Zachert (geb.1910). Sie wollte eigentlich Architektur studieren und dafür zunächst den Maurerberuf bei Fritz Wolff erlernen – für damalige Verhältnisse eine Sensation. Doch nach einem Jahr fühlte sie sich dem körperlich nicht mehr gewachsen, hörte auf und begann, in privaten Kursen Stenografie und Schreibmaschineschreiben zu erlernen. Ende 1935 begann sie im Widerstandsverlag bei Ernst Niekisch als Stenotypistin zu arbeiten – einem kleinen Verlag, dessen Zeitungen „Der Widerstand“ genau wie einige seiner Buchveröffentlichungen bereits seit 1934 verboten waren…Sie lernte dort u.a. Ernst Jünger und den Publizisten Harro Schulze-Boysen kennen – und wurde, nach dem der Verlag am 31.März 1937 geschlossen wurde, unter dem Verdacht der Beihilfe zum Hochverrat verhaftet. Weil dieser nicht bestätigt werden konnte und von Ernst Niekisch zudem energisch bestritten wurde, wurde sie am 18. Dezember 1937 aus dem Gefängnis entlassen. Ein Handlungsstrang der Wolff- Biografie, dem man als Leser noch gern gefolgt wäre, auch wenn es den Rahmen des Themas einigermaßen gesprengt hätte.
So ist die Biografie des Ratsbaumeisters Fritz Wolff von Lorenz B. Drescher ein wichtiger Baustein zur Kulturgeschichte, als Beispiel funktionierender Verwaltung und Infrastruktur. So wird an einem Beispiel belegt, wie zwischen Auftragserteilung und Rohbauabnahme keine zweieinhalb Monate und zur fertigen Bauabnahme kein halbes Jahr vergangen waren…
P.S. Vielleicht hätte man, die Geschichte des Rathauses Köpenick betreffend, nicht unerwähnt lassen sollen, dass sich dort am 31. Dezember 1969 die Rezensentin o.g. Buches mit ihrem Mann das JA-Wort gegeben und es bis heute gehalten hat.
Renate Parschau