HLZ 6/2024 auf Seite 34, Mitgliederzeitschrift der GEW Hessen.
Die Frage, ob es keine größeren Sorgen als das "Gendern" gäbe, ist mehr als nachvollziehbar; etwa der Rückgang der Lernleistungen. Sie wird nicht nur seit Langem ins Feld geführt von seinen Gegnern, sondern neuerdings wegen Volksbegehren und "Genderverboten" auch von seinen Betreibern. Die sodann selbst das "Gendern" breit zum Diskussionsgegenstand machen; etwa in HLZ 3/2024, Seiten 26 & 27.
Es hat den Anschein, als sollten die medienwirksamen Gendergebote tatkräftiges Handeln unterstellen, während das Anpacken inhaltlicher Schwerpunkte im Bildungswesen schwächelt. Die "emanzipatorische" Entwicklung des "Genderns" ergibt, daß es sich mehr um Machtverhältnisse als um sprachliche Korrektheit handelt.
Den Unterschied von leiblichem und grammatischem Geschlecht, von sexus und genus handhaben Krethi & Plethi im Sprachalltag flüssig. Sie wissen, DER Säugling bleibt auch als DIE Waise DAS Kind seiner Eltern. Ob und welche Geschlechter im eigenen Sprachgebrauch vorkommen, ergibt sich je nach Sachverhalt, Aussageziel und Gesprächslage; auch die Bedeutungsbreite und -unterschiede einzelner Bezeichnungen - etwa der vierfache von Geschlecht.
Diesen Umstand bestätigen die psycholinguistischen Untersuchungen (bis 2022), die irrigerweise für das "Gendern" ins Feld geführt werden. Sofern bei Gattungsangaben eher an ein einzelnes Geschlecht gedacht wird, liegt das an den Umständen, nicht am Wortgeschlecht.
DAS Wesen DER Mensch braucht auch als DIE Person begrifflich kein Leibesgeschlecht. Ebenso der Lehrer als Beruf und als Gattung sowie der Schüler als Gesamtheit. Wie auch die Lehrkraft, die ihn "genderisch" begrifflich ersetzen soll; wobei der Unterschied entfällt zwischen dem voll ausgebildeten und der angelernten.
Wäre das Grundgesetz nur mannsgeschlechtlich gefaßt - wie feministisch behauptet - , wären weibilche Minister und Kanzler verfassungswidrig.
Das generische Maskulinum hat diese allgemeine Eigenschaft, weil es sachlich neutral ist. Ebenso wie Feminina & Neutra umfaßt es auch Zwitter. Sonst wäre es ein singuläres. Es meint keineswegs irgendein Geschlecht bloß mit, sondern gar keines; es grenzt mitnichten grammatikalisch irgendwelches aus (fachlich dazu P.Eisenberg, O.Hackstein, M.Neef, Trutkowski/Weiß). Verengt man es auf den männlichen Unterfall, dann stellt die weibliche Ableitung nicht gleich, sondern stuft unter. Eingeschobene Sonderzeichen und Wortpause jedoch würdigen Zwitter keines Wortes. Die neuerdings in gehobenen Kreisen ständige Beidnennung ist bloß geschlechtergerichtet statt sachgerecht.
Sachgerecht oder geschlechtsgerichtet
Allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnen, das leistet die Landessprache seit alters, nämlich mit übergreifenden Bezeichnungen sowie mit Zweitbedeutungen und Ableitungen. Sie bezeichnet Gesamtheiten griffig, wenn das Geschlecht für die Aussage belanglos ist, und nennt Geschlechter, wenn es um ihre Besonderheit geht. Aber auch dann ist Typisieren nötig. Würde man laufend jede Eigenart aufzählen, bliebe die Hauptsache auf der Strecke.
Siehe https://www.linguistik-vs-gendern.de
Die Wortbedeutung folgt dem Blick auf die Sache; daher der Wandel. Das müßte auch Leuten höherer Bildung klar sein. Deutschlehre sollte die Beschaffenheit der Sprache beschreiben können. Das "Gendern" kann dabei erläuternder Gegenstand sein, nicht Leitbild.
Die ständige Weiterentwicklung der alltäglichen Sprache ist für Betreiber des "Genderns" weniger Beobachtung als Anspruch für sich selber gegen Dritte. Die "demokratischen Aushandlungsprozesse" bewerkstelligen sie mit Mißdeuten von Gattungsangaben, Moralisieren, überhitzt und emotional geführten Genderdebatten, Eingriffen in die öffentliche Sprache, Umschulen, betrieblichen und amtlichen Maßgaben bis hin zu hochschulischer Prüfungsvorschrift sowie Genderzwang für Verfasser in gewerkschaftlicher Fachzeitschrift. Sie machen aus einer orthographischen Frage ein Thema dramatisierender gesellschaftlicher Bedeutung.
Dafür bemühen sie nun auch freiheitlich-demokratische Grundrechte. Für sich. Dagegen beschweigen sie seit Langem den Druck Lehrender auf Studenten bis hin zur Notenminderung, betriebliche Anweisungen für das "Gendern", sowie die Weigerung städtischer und studentischer Parlamente, genderfreie Anträge zu behandeln.
Laut bundesweiter Umfrage im vorigen December finden rund 3/4 der Leute es richtig, "Gendern" in Schulen und Behörden zu verbieten. Und 4/5 sind gegen seinen Gebrauch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Mittels Wortvorgaben das Denken der Leute zu lenken, ist einsetzbar für beliebigen Inhalt, etwa für das "Haltung Zeigen" eines Senders gegenüber den Beitragszahlern mittels 'framing'. Als Verfahren eine altbekannte rechte Diskursstrategie.
Einst wies 'gender' auf den Unterschied hin zwischen Leibesgeschlecht und gesellschaftlicher Stellung. Das "Gendern" hingegen sexualisiert bloß.
Ulrich J.Heinz
Dem obigen Artikel möchte ich voll zustimmen. Ich denke auch, die Diskussion um das Gendern ist ein Ablenkungsmanöver von den wirklichen Problemen in unserer Gesellschaft.
Für die Emanzipation der Frau hat die ganze Geschichte überhaupt nichts gebracht. Mir jedenfalls ist es nicht wichtig, ob ich ein Gärtner oder eine Gärtnerin bin. Wichtig wäre, dass ich gleiche Bezahlung bekäme bzw. gleich wenig für die Gesellschaft, d.h. Familie tun müsste wie Männer. Wichtig wäre auch, dass Frauen nicht stärker unter Altersarmut leiden müssten als Männer. Wichtig wäre auch, dass Frauen stärker in politische Entscheidungen eingebunden werden, damit es mehr Frieden in der Gesellschaft und zwischen den Völkern gibt.