Liebe Frau Dr. Hollnagel, liebe Schreiber, Kommentatoren und Leser, es tut mir leid, dass ich es erst heute schaffe, auf die Kommentare zum Beitrag: „Was ist Demokratie und welches ist die beste Gesellschaftsordnung?“ von Frau Dr. Hollnagel einzugehen. Das Thema „Was ist Demokratie“ – und der Zweck von Demokratie – ist meines Erachtens so zentral, dass wir hier umfassend diskutieren sollten, meine ich. Deshalb bringe ich „Einflüsse auf die Meinungs-Bildung“ bezüglich der Wahlentscheidung mit ein und bin auf den weiteren Diskurs gespannt. Vorweg, liebe Frau Dr. Hollnagel, auch ich bin kein „Jungspund“ mehr. Und weil ich schon so viel gesehen und erlebt habe, hier und anderswo, mache ich mir ernste Sorgen, denn ein Zustand wie der aktuelle erscheint mir gefährlich und bedarf unser aller Wachsamkeit
sowie unserer Initiative und Engagement, finde ich. Allerdings sind wir in der Lage etwas zu ändern – ganz sicher.
In der Tat haben Bürger der DDR „eine andere Muttermilch bekommen“ als Bürger der BRD, liebe Frau Dr. Hollnagel. Und es sollte jeder und jedem bewusst sein, welche Konsequenzen das für alle Beteiligten hat. Meines Erachtens wird diese Tatsache überhaupt nicht – oder viel zu wenig – berücksichtigt, wiewohl wir viel voneinander, miteinander, lernen können (und sollten). Hans-Joachim Maaz – und andere – haben darauf aufmerksam gemacht.
Die Meinungsbildung der „Wessis“ über das, was Demokratie ist, wurde von den westlichen Siegermächten nach dem II. Weltkrieg wesentlich geprägt.Meines Erachtens haben sich sehr wenige Menschen über die Form einer „kapitalistischen Demokratie“ – und was diese bedeutet – Gedanken gemacht.
Mir ist dazu jedenfalls nichts durch den Kopf gegangen, ich habe an die sogenannte „Soziale Marktwirtschaft“ geglaubt. Es ging mir – und den meisten Bürgern der BRD – verdammt gut, ich war teilweise gleichgültig, muss ich eingestehen. Erst seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion merk(t)e ich mehr und mehr, dass Ziel und Zweck einer demokratischen Staatsform gar nicht mehr erreicht werden (sollen).
In der Tat ist die Demokratie (auch) für mich mehr zu einer Worthülse und zu einem Instrument verkommen, dem sich die Mächtigen bedienen, die sich regelmäßig in Davos treffen. Über die „Diktatur des Proletariats“ in der DDR – und sonstwo – könnte ich nur vom Hören-Sagen etwas beisteuern Mitbürger, welche die „Diktatur der Partei“ selbst erlebt haben können das viel besser.
Der damalige Satz: „Die Partei hat immer recht“, ist (auch) meines Erachtens genau so töricht wie das aktuelle Statement: „Der Staat macht
keine Fehler“, welches der grüne Außenminister Habeck abgelassen hat, wie von Frau Dr. Hollnagel zitiert, und was im Ergebnis auf dasselbe rauskommt. Wenn Frau Dr. Hollnagel schreibt: „Selbst Friedrich der Große, der in seinem Machiavelli postulierte: ‘er sei der erste Diener des Staates’, meinte das nicht so wörtlich und distanzierte sich später weitgehend davon“, so glaube ich auch den Mitgliedern unserer Regierung nicht, dass sie unsere Diener sind. Vielmehr sind sie Angestellte der jeweiligen Partei. Jedenfalls verhalten sie sich offenkundig so. Und das darf nicht sein.
Unser Grundgesetz (GG) hilft uns – und es ist viel besser als manche Mitbürger das wahrhaben wollen. Es wurde deshalb auch mehrfach „exportiert“ – und das kommt nicht von ungefähr. Das Demokratie-Prinzip ist in Art. 20 GG verankert, ebenso das Sozial- und Rechtsstaatsprinzip. Tatsächlich steht dort auch, dass „alle Staatsgewalt vom Volke“ ausgeht. Der Begriff „Gewalt“ ist hier im rechtlichen Sinne zu verstehen, nicht in der üblichen Wortbedeutung in unserer Alltagssprache. Auch der Begriff „wehrhafte Demokratie“ bedarf der Erläuterung, will man verstehen, was gemeint ist.
Die Demokratie hat(te) den Zweck, und soll ihn heute noch haben, die Ohnmächtigen, die Schwachen, vor den Mächtigen, den Starken zu schützen – und zwar um des Friedens im Staat willen, um Unruhen oder gar Revolten zu verhindern. Die Aufgabe der demokratischen Staatsform ist „gleiches Recht für alle“ zu schaffen und zu gewähren und nicht das „Recht“ der Mächtigen, der Stärkeren zu dulden. Was die wehrhafte Demokratie anbelangt, so gibt uns diese das Recht uns gegen jede Person oder Organisation – mit zulässigen Mitteln – zu wehren, sobald diese bestrebt ist die Wahrnehmung unserer im Grundgesetz verbrieften Rechte zu vereiteln. Das heißt: Unser Grundgesetz gibt uns allen ausdrücklich das Recht zum Widerstand gegen jeden, der unsere grundgesetzlich verbürgten Rechte einschränken oder gar
abschaffen möchte. Nur in Notstandsituationen kann es höchst ausnahmsweise zulässig sein, dass das Parlament vorübergehend eine zweckbestimmte Ausnahme machen darf. Diese muss jedoch mehreren Kriterien genügen, unter anderem dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit.
Demokratie muss dem Frieden im Staat dienen, gleiches Recht gilt für alle. So wie ich das derzeit erlebe erreichen die (kapitalistischen) Demokratien dieses Ziel nicht mehr, vielmehr haben die Finanzstarken das Sagen, geben den Ton an und bestimmen über uns, beeinflussen uns und unsere Politiker zu ihren Gunsten. Unsere Partei-Politiker sind – zumindest zum Teil – Marionetten der Mächtigen, so mein Eindruck. Die sogenannte „Corona-Krise“ is t dafür ein eklatantes Exempel. Und genau diese Geschichte, diese
Entwicklung, muss uns meines Erachtens ins Handeln bringen, zumal sie eben „nur“ ein Beispiel von mehreren in der letzten Zeit ist. Wir wurden – und werden – hinters Licht geführt, meine ich.
Da wir keine direkte Demokratie haben, wie sie in etwa in der Schweiz herrscht, wählen wir Mitbürger, die unsere Interessen vertreten soll(t)en. Um unsere Vertreter wählen zu können, müssen wir uns vor der Wahl unsere persönliche Meinung bilden (können). Und genau da liegt das Problem: Über alle Arten von Medien üben alle möglichen Personen und Institutionen Einfluss auf uns aus, um unsere Meinungsbildung zu beeinflussen und uns zu bestimmten Entscheidungen zu bewegen – auch zu Wahlentscheidungen. Und natürlich haben die Meinungsführer Interessen, die sie meistens nicht offenlegen. Im Zweifel wollen sie uns für ihre egoistischen Ziele benutzen,
uns indoktrinieren, uns ausnutzen sowie zu ihren Gunsten manipulieren.
Was ist, meiner Meinung nach, das entscheidende Problem, das wir unbedingt lösen müssen, aber auch lösen können. Denn keinesfalls ist „die Elite“ intelligenter als der Rest des Volkes – als wir. Abgesehen davon hat Bildung m.E. nichts mit Intelligenz zu tun, sondern mit Chancen.
Unser absolutes Kernproblem ist die (Un-) Zuverlässigkeit der Informationen, der Medien. Wie sollen wir unsere Meinung frei bilden und
eine Entscheidung, eine Wahl, frei treffen können, wenn Mitteilungen nicht wirklich wahr sind. Es ist kaum zu ermessen, welchen Schaden Lügen, Täuschungen, Verschleierungen, „Fake-News“ und dergleichen anrichten. Jede (moderne) Demokratie braucht wahre Informationen, wahre Meldungen, wahre Nachrichten, wahre Berichte. Ohne korrekte Informationen können wir nicht frei und unabhängig wählen.
Was ist die Lösung? Ich muss jetzt um Vertrauen bitten: Ich bin sicher, dass wir uns aufs Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verlassen können. Dieses Gericht hat zahlreiche Urteile gefällt, die das Rundfunkrecht betreffen. Insbesondere denjenigen, welche im Regime der DDR sozialisiert wurden, aber auch für vielen anderen, mag es schwer fallen an die Rechtsstaatlichkeit der BRD zu glauben. Das verstehe ich gut. Nur habe ich oftmals in meinem Leben die positive Erfahrung gemacht, dass insbesondere die Verwaltungsgerichtsbarkeit in aller Regel, bis auf seltene Ausnahmen – die leider aufgrund der Nachrichtenfaktoren und der Nachrichtenwerttheorie stark publiziert werden – einen guten Job macht.
Was folgt daraus: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Hörfunk und Fernsehen, kann gerichtlich gezwungen werden, wahre Informationen zu
verbreiten, ausgewogen und umfassend zu berichten. Das ist genau nämlich ein wesentlicher Zweck des ÖRR. Der Rundfunk ist „schlichtweg konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“, betont das BVerfG [Quelle: BVerfGE 35, 202 (221 f.)]. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) ist ein wesentlicher Faktor für die freie Meinungsbildung [vgl. BVerfGE 12, 205 (260)]. Die Arbeit des ÖRR ist frei von staatlichen Einflüssen zu halten – und zwar sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Sendearbeit darf nicht beeinflusst werden, das hob das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen hervor [vgl. BVerfGE 59, 231 (260); 73, 118 (183); 90, 60 (87)].
Der ÖRR darf Gebühren verlangen, das ist unstrittig, weil er einen gesetzlichen Auftrag hat, welchen das BVerfG sogar in den Verfassungsrang gehoben hat. Dafür muss der ÖRR aber auch überparteilich und unbeeinflusst und ausgewogen sowie insbesondere wahrheitsgemäß berichten. Sobald dies – auch nur teilweise – nicht geschieht, sobald einseitig berichtet wird, können wir uns nicht frei unsere Meinung bilden. Da der ÖRR auch noch andere gesetzliche Aufgaben hat, wie zum Beispiel Unterhaltung und Bildung, können wir unseren Rundfunkbeitrag nicht vollständig einbehalten, nur zu dem Teil, in dem der ÖRR seine Aufgabe nicht erfüllt. Freie Wahlentscheidungen brauchen wir vielfältige, umfassende, wahrhaftige Informationen als Grundlage, keine Demagogie und keine Indoktrination. Wer den Rundfunkbeitrag kürzt bekommt einen Feststellungs- und eventuell einen Bußgeldbescheid. Das entsprechende Rechtsmittel muss fristgerecht eingelegt werden, danach steht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen und am Ende steht der Gang zum Bundesverfassungsgericht, dessen Rechtsprechung offenkundig ist.
Jörg Stimpfig