An die Siegener Zeitung
Die Darstellungen, Kommentare und besonders die gewählten Überschriften der Redakteure Plachner und Vogt in den Ausgaben der Siegener Zeitung und im WDR in der Aktuellen Stunde im November 2023 lassen m.E. teilweise die Merkmale einer seriösen Berichterstattung vermissen. Die Darstellungen, die ich gehört und gesehen habe, entsprechen eher freien Meinungsäuße- rungen (vielleicht sogar nach einem Konzept der üblen Nachrede) als einer sorgfältigen Recherche. Journalismus sollte die Öffentlichkeit sinnvollerweise über Ereignisse von öffentlichem Interesse in chronologischer Reihenfolge informieren: die SZ wusste schon im späten Frühjahr von dem Gespräch im Pfarrgarten vor Jahrzehnten, auf das sich die Vorwürfe gegen die damalige Pfarrerin Kurschus berufen. Platziert wurde die Information gezielt zum Auftakt der EKD-Synode. Es verstrichen also Monate, in denen Gelegenheit für die Redakteure gewesen wäre, seriös mit allen Seiten zu sprechen und Sachverhalte zu klären. Sorgfältig war die Recherche m.E. auch deshalb nicht, weil die Perspektive mehrerer anderer Gesprächsteilnehmer*innen gar nicht in Betracht genommen wurde. Das macht eine Recherche in jedem Fall zumindest unvollständig. Ich finde außerdem den Umgang mit Personendaten in Bezug auf Frau Kurschus bedenklich und frage mich: Ist hier die Einhaltung des Schutzes von Personendaten geprüft worden?
Unfair ist eine Recherche aus meiner Sicht zudem, wenn in unscharfen Puzzleteilen ein beabsichtigtes Bild kreiert wird, das das ursprüngliche Thema [>Betroffene Personen haben konkrete Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen einen Mitarbeiter der ev. Kirche Siegen angezeigt<] aus dem Fokus nimmt. Herr Plachner ist in einem weiteren seiner Artikel darauf eingegangen, warum Männer als Betroffene von sexuellem Missbrauch viel Zeit brauchen, bis sie sich öffnen. [Anmerkung: nicht nur Männer, sondern die weitaus meisten von sexuellem Mißbrauch Betroffenen!]. Und eben weil Aufarbeitung viel Zeit braucht, entspricht es auch hier in diesem Fall der Sorgfalt einer öffentlichen „Berichterstattung“, zumindest das Ergebnis der juristischen Untersuchungsarbeit infolge einer polizeilichen Anzeige abzuwarten.
Bei mir ist der Eindruck entstanden, für einige Menschen sind durch die Art der Darstellungen sowohl vermeidbare Verstörungen, Ehrverletzungen und tiefe Wunden entstanden. Mein Kommentar an die Autoren: Journalismus, den ich erwarte, behält den Pressekodex im Blick.
Martina Achenbach und Therese Wäschenbach (Siegen)