Es ist eine allseits bekannte Tatsache, dass Menschen sterben müssen. Manchmal kommen ungeborene Kinder bereits tot zur Welt, manche Kinder erleben noch nicht einmal die Pubertät. Auch Erwachsene können im besten Alter sterben, manche alte Menschen siechen qualvoll dahin. In jedem Fall endet mit dem Tod das Leben, sei es gut oder schlecht gewesen. Der Tod gehört zum Leben.
Am 6.8.1945 um 8:16 warf der US-amerikanische Pilot Paul W. Tibbets aus seinem B29-Bomber die erste Atombombe auf Hiroshima, genauer gesagt über einem Krankenhaus ab. Etwa 70.000 Menschen starben sofort, weitere 100.000 Menschen starben qualvoll an den Folgen (innere Blutungen, Hautverbrennungen, radioaktive Verseuchung, usw.) des Abwurfs der Atombombe, die den beschönigenden Namen „Little Boy“ trug.
Am 9.8.1945 folgte der Abwurf der zweiten, „Fat Man“ („fetter Mann“) genannten Atombombe. Ursprünglich war der Angriff für den 11.8.1945 auf Kokura (die Stadt heißt auf Grund eines 1963 erfolgten Zusammenschlusses mit anderen Städten nunmehr „Kitakyshu“), doch die Aussicht auf schlechtes Wetter veranlasste die Amerikaner, den beabsichtigten Angriff vorzuverlegen. Da auch über Kokura die Sicht durch schlechtes Wetter behindert war und der Treibstoff zur Neige ging, entschloss sich der 25-jährige Pilot Charles W. Sweeney, die Bombe (Sprengkraft 22.000 TNT) über Nagasaki abzuwerfen. Wegen schlechten Wetters verfehlte er die Mitsubishi-Werft ; die Bombe detonierte etwa 2 km vom geplanten Ziel entfernt. Bei diesem Angriff starben sofort rund 40.000 Menschen, weitere 70.000 an den Folgen.
Für uns Menschen sind die konkreten Qualen, die sich als mittelbare Folgen der Detonation von Atombomben zeigen, sehr schwer zu verstehen. Wir sind ihnen (zum Glück noch) nicht ausgesetzt. Jene Japaner, die nicht sofort ums Leben kamen, prägten das Zitat: „Wir beneiden die Toten um ihr Glück“. Die Stadt Kokura wurde als Glücksfall gepriesen, weil über sie keine Atombombe abgeworfen wurde.
In Mitteleuropa war mit der Kapitulation Deutschlands der 2. Weltkrieg beendet; im pazifischen Raum dauerte er noch an; trotzdem war den verantwortlichen Entscheidungsträgern (US-amerikanische Regierung) klar, dass die Japaner in „wenigen Monaten“ ebenfalls kapitulieren würden. Warum also die Notwendigkeit der Abwürfe zweier Atombomben auf die japanische Zivilbevölkerung?
Die offizielle US-amerikanische Erklärung greift zu kurz, derzufolge durch die beiden Atombomben das Leben hunderttausender US-Soldaten im Pazifik gerettet und somit der 2. Weltkrieg auch dort beendet würde.
Der US-amerikanische Historiker Gar Alperovitz (geb. 1936) vertritt die These, dass der damalige amtierende US-Präsident Truman mit den beiden Atombombenabwürfen ein unmissverständliches Signal an Stalin senden wollte: 1) Wir (die USA) haben eine Atombombe; 2) Wir haben nicht nur eine Atombombe, d.h. wir könnten weitere einsetzen. Auch führende US-Militärs damaliger Zeit verneinten die Notwendigkeit des Einsatzes von Atombomben über Japan. Martin Sherwin nennt den Abwurf über Nagasaki „bestenfalls sinnlos, schlimmstenfalls Völkermord“.
Die Geschichte zeigt jedoch, dass Stalin sich davon nicht beeindrucken ließ. Zwei Jahre später hatte auch die Sowjetunion Atombomben, was entsprechende Zündungen über unbewohntem Gebiet bewiesen.
Beide oben genannten US-Piloten bereuten nicht ihren Einsatz über Japan. Tibbets starb an Leukämie, an der auch viele Japaner als Folge der Atombombenabwürfe starben.
Hätte Deutschland Atombomben auf dem Gebiet eines anderen Staates eingesetzt, würde die Öffentlichkeit umgehend (und zu Recht) von Völkermord sprechen. Warum brandmarkt man die Abwürfe der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki nicht ebenfalls als Völkermord? Warum diese Doppelmoral?
Bisher hat sich kein US-Präsident bei Japan wegen der beiden Atombombeneinsätze entschuldigt. Die einzige Reaktion von Obama am 26.5.2016 in Hiroshima war die Warnung vor einem Atomkrieg und die Hoffnung, dass die Welt (wer genau?) Lehren aus Hiroshima zieht“.
Alle USA-hörigen Menschen (Schafen?) erinnere ich an die Militärdoktrin der USA, dass sie sich das Recht auf einen nuklearen Erstschlag vorbehalten (wer das immer noch nicht verstanden hat: die USA können in einem Konflikt als erste Partei Atomwaffen einsetzen). Russlands überarbeitete Militärdoktrin ist etwas zurückhaltender: Einsatz von Atomwaffen, wenn die territoriale Integrität Russlands bedroht ist.
Printmedien und TV werden gewohnheitsmäßig wieder über die Appelle von Politikern berichten, die vor den Folgen eines Atomkriegs warnen („bla bla blubb“). Unter diesen Politikern befinden sich jedoch auch Entscheidungsträger, die den Ukraine-Konflikt befeuern. Wissen diese Damen und Herren, dass sie mit dem Feuer spielen?
Beneiden die überlebenden Opfer dieses Krieges auf beiden Seiten die Toten um ihr Glück, diesen Qualen (weitestgehend) entkommen zu sein? Die Perversion menschlichen Denkens geht unvermindert weiter.
Liebe Leser, liebe Schreiber,
ich komme leider nicht in die Kommentierfunktion und möchte deshalb auf diesem Wege meinen Dank über und meine Gedanken zu „Wenn Überlebende die Toten um ihr Glück beneiden“ äußern.
Der Artikel von Dieter Heußner war für mich sehr wichtig und in all seinen Aussagen richtig. Gerade in heutiger Zeit kann gar nicht oft genug an die Grausamkeit des Atombombenabwurfs und an das damit verbundene, unsägliche Leid der Opfer erinnert werden. In den öffentlich rechtlichen Medien wurde kaum oder gar nicht des 6. August 1945 gedacht. Im Gegenteil in meiner hiesigen Presse wurde von Übungen der in Mecklenburg stationierten Jagdbomber über Island berichtet oder vom Umbau der Werften auf Militärtechnik. Es scheint als sollte die Bevölkerung vom Friedensmodus auf Kriegsgeschrei umgepolt werden. Es ist besorgniserregend wie schleichend mit entsprechendem Vokabular in dieser Richtung manipuliert wird. Da wird ein Feindbild installiert und aufgeblasen, das gar nicht existiert.
Die Rüstungskonzerne und besonders die in Deutschland, wittern Morgenluft und freuen sich über enorme Profite. Die unzähligen Unterschriften und Mahnungen gegen die Waffenlieferungen in die Krisengebiete werden tot geschwiegen oder diffamiert. Besonders erschreckt mich immer wieder, dass eine sozial demokratische Regierung, die aus der Geschichte hätte lernen müssen, diesen Kurs fährt. Es ist fast zum verzweifeln.
Trotzdem und wie immer mit pazifistischen Grüßen
I. Hollnagel
Sehr geehrte Fr. Dr. Hollnagel
von der SPD und von der Partei "Die Linke" bin ich enttäuscht. Mal sehen, ob Fr. Wagenknecht es schafft, eine neue Partei zu gründen, rechtzeitig vor der Europawahl, aber viel wichtiger auf alle Fälle vor der Bundestagswahl 2025.
Es bleibt zu hoffen, dass Deutschland seine Souveränität wieder erlangt und eine deutlich bessere (Außen-)Politik betreibt. Das bedeutet nicht Feindschaft gegenüber den USA, sondern Augenmaß, vor allem gute Beziehungen mit Russland auf Augenhöhe.
Aus der griechischen Mythologie ist bekannt, dass sich die Hoffnung ganz unten in der Büchse der Pandora (wörtlich: der allseits Beschenkten) [immer noch] befindet, während die bösen Dinge bereits aus dieser Büchse entwichen sind.