Persönliche Stellungnahme zum „Synodalen Weg“ der katholischen Kirche in Deutschland
Heute vor vier Jahren schrieb Papst Franziskus an das Volk Gottes Deutschland
Eberhard v. Gemmingen
Es geht wohl allen Beteiligten letztlich darum, den Glauben an Jesus Christus zu erneuern und zu beleben. Der Glaube an Christus und die Kenntnis Jesu sind offenbar seit Jahren im Schwinden. Auf diesem Hintergrund hat das Bekanntwerden von sexuellem Missbrauch und dessen Vertuschung die Abwendung von Kirche und Glauben sehr verstärkt. Sie bestand aber schon vorher – ohne viel Aufsehen.
Auch wenn die Glaubwürdigkeit der Kirchenvertreter durch ihre innere Umkehr und Bekenntnis wieder ganz hergestellt sein sollte, ist die Kenntnis Jesu und das Bekenntnis zu Christus noch nicht auf dem erwünschten Level. Viele Getaufte kennen vermutlich Jesus Christus zu wenig. Das ist meines Erachtens auf den gesamten kulturellen Hintergrund seit der Industrialisierung und dem Wirtschaftswachstum zurückzuführen. Die Verkündigung des Glaubens ist heute ungleich schwerer als vor 100 Jahren.
Ich spreche nur von Mitteleuropa, weil die Situation hier etwas anders ist als anderswo.
Die Kirchenverantwortlichen müssen in ihrem Verhalten sehr glaubwürdig sein. Aber damit ist nur der erste kleine Baustein gesetzt. Die eigentliche Herausforderung ist eine gute, überzeugende Verkündigung Jesu Christi. Heutige Menschen wünschen und erwarten diese. Die Rechte und Pflichten von getauften Frauen und Männern in der Kirche sind wichtige Themen, ebenso die Rechte von Nicht-Heterosexuellen Menschen. Aber auch wenn diese Rechte gewahrt sind, geht es nicht ohne überzeugende Verkündigung. Und diese ist heute wesentlich anspruchsvoller als während der letzten Jahrhunderte. Vielen Menschen fehlt Ruhe, Nachdenklichkeit, Schweigen.
Kirche müsste die Menschen hinführen zu sich selbst, in ihr Inneres.
Und die vom Papst einberufene „Synode über Synodalität“ ist primär keine Versammlung, um theologische Fragen zu klären, sie ist kein Konzil, sondern um die Fragen der Christen rund um den Globus zu hören. Christen aus Ost-Asien, aus dem Nahen Osten, aus Nord-, Zentral und Südafrika, aus Latein- und Nordamerika, aus Ost- und Westeuropa sollen aufeinander hören. Es ist vor allem keine akademische Veranstaltung. Gerade die Nicht-Theologen sollen gehört werden. Sicher tauchen schon jetzt gemeinsame Fragen auf: Rolle der Frauen, Rolle aller engagierten „Laien“, Rolle der Priester. Aber die Lebenssituationen der Christen rund um den Globus sind sehr unterschiedlich. Viele Christen leiden unter Unterdrückung, Verfolgung, Elend. Die zentraleuropäische Sicht ist die Sicht einer kleinen Minderheit.
Ich empfehle die Lektüre des Briefes von Papst Franziskus an das „Pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ vom 29. Juni 2019 – vor vier Jahren. Es geht darin um sehr andere Fragen als beim synodalen Weg. Hier nur ein Satz aus dem Brief: „Ein wahrer Wandlungsprozess beantwortet, stellt aber gleichzeitig auch Anforderungen, die unserem Christ-Sein und der eigenen Dynamik der Evangelisierung der Kirche entspringen. Ein solcher Prozess verlangt eine pastorale Bekehrung. Wir werden aufgefordert, eine Haltung einzunehmen, die darauf abzielt, das Evangelium zu leben und transparent zu machen, indem sie mit dem „grauen Pragmatismus des täglichen Lebens der Kirche bricht, in dem anscheinend alles normal abläuft, aber in Wirklichkeit der Glaube nachlässt und ins Schäbige absinkt.“
Nachzulesen in 2019-108a-Brief-Papst-Franziskus-an-das-pilgernde-Volk-Gottes-in-Deutschland-29.06.2019.pdf (dbk.de)
P. Eberhard Gemmingen SJ
Im Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit