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Die Beileidsbekundungen und Nachrufe, die man anlässlich des Todes von Esther Bejanaro zu hören und zu lesen bekam, waren durchweg – bis auf ganz wenige Ausnahmen – von einer peinlichen Einseitigkeit gekennzeichnet, für die man sich nur fremdschämen kann. Dass sie aus Israel nach Deutschland zurückkehrte, lag keineswegs an der „Hitze, die sie nicht verträgt“, sondern daran, dass sie und ihr Mann sich gegen die unmenschliche israelische Politik gegenüber den Palästinensern positionierten – sie „fordert eine humane Palästina-Politik“ heißt es dazu im Artikel. Infolgedessen waren sie derartigen Repressionen ausgesetzt, dass sie sich zur Auswanderung gezwungen sahen. Schon sehr früh hatte sie sich gegen den Zionismus gewandt, der für sie vor allem ein bellizistischer Nationalismus war. Die bekennende Antizionistin sah faschistische Tendenzen in Israel und wurde später auch zu einer Befürworterin der angeblich antisemitischen BDS(Boykott)-Kampagne gegen das Land. All dies gilt hierzulande normalerweise als Ausweis des Antisemitismus, der ihr auch immer wieder mal unterstellt wurde. Da sie als eine der letzten Zeitzeuginnen diesen aber so überzeugend und vorbildlich bekämpfte, wurde sie nach ihrem Ableben von unseren Politikern und Medien geradezu in den Himmel gehoben, was sich angesichts des damit einhergehenden, nahezu kompletten Ausblendens ihrer kritischen Einstellung zur Politik Israels als Ausdruck einer geradezu heuchlerischen Doppelmoral begreifen lässt.


Jürgen Jung

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