Aus dem Heiligen Evangelium nach Johannes, Kap.10, 1-10
In jener Zeit sprach Jesus: „Amen, amen, ich sage euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen. Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte. Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“
Predigt
Was will der Herr uns heute sagen? Bleibt er nicht immer ein Mysterium? Er will ja verstanden werden, er will, dass wir ihn verstehen. Wir müssen gut hinhören. Er will ja, dass wir in ihm leben, dass wir mit ihm leben, und dass Er in uns lebt. Kann man Jesus verstehen?
Um zu verstehen, muss ich jetzt einen großen Sprung machen in die Bergpredigt: Mir sind vor Jahren die Augen aufgegangen, als ich die anspruchsvollen Worte Jesu dort bedacht habe. Da sagt Jesus: Moses hat euch gesagt – i c h - aber sage euch. Jesus kritisiert und übersteigt Moses, den großen Gesetzgeber, die Autorität der Juden schlechthin. Jesus war für seine Zeitgenossen und ist für uns eine ungeheure Herausforderung. Er war außergewöhnlich souverän, selbstsicher. Er war auch ein Anstoß, eine Provokation. Wenn man ihn beim Wort nimmt, kann man sich mit Entsetzen von ihm abwenden. Das haben viele getan. Oder man kann Augen und Ohren aufreißen und sich fragen: Wer ist denn das, der so redet? Ist da einer wie Gott in die Welt getreten? Ist da einer, der nicht nur Mensch ist? Ist da Gott plötzlich in Gestalt eines Menschen nahe?
Und dieses Erschrecken über Jesus kehrt wieder, wenn wir aufmerksam viele Worte Jesu im Johannes-Evangelium hören. Heute sagt Jesus „Ich bin die Tür zu den Schafen“. Wenn man sich in die Zeit Jesu und aufs Land versetzt, sind diese Worte nicht so erschreckend wie für uns moderne Stadtmenschen. Gleichzeitig wird auch noch mitgedacht, was Jesus an anderer Stelle sagt: Ich bin der gute Hirte. Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich. Und die Seinen hören auf seine Stimme. Und wenn wir weiter durch das Johannes-Evangelium schauen, dann finden wir noch andere Worte Jesu, die uns aufhorchen lassen, die wir nicht einfach schlucken sollen: „Ich bin das Licht der Welt“. Und: „Ich bin das Brot des Lebens“. Und: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Es sind ungeheure Selbstaussagen Jesu. Jesus sagt Großes, Riesiges über sich selbst. Wir können sollen sie nicht einfach runterschlucken, sondern müssen sie gleichsam auf unserer Zunge zergehen lassen. Wer ist Jesus, der solches von sich sagt?
Und dann gehen wir in unsere Zeit. Wir Heutige zucken eher zurück, wenn jemand große Worte über sich selbst sagt. Es gibt über dem Atlantik einen Herrn, der sich zum Retter der USA erklärt. Er könnte sagen: Ich bin Amerika. Und dann gibt es auf der anderen Seite des Pazifik einen Mann, der den Eindruck vermittelt: Ich bin das Reich der Mitte. Und schließlich noch einen Herrn, der gerade Krieg führt und sich auch für den wichtigsten Mann der Welt hält. Wir zucken vermutlich zurück, wenn einer so übergroßes über sich denkt und spricht. Wir moderne Menschen zucken zurück vor Menschen, die sich für Führer halten, wir halten sie eher für Verführer wie schon der Verführer im Paradies, der in Form einer Schlange auftrat.
Zurück zu Jesus: Er könnte vielleicht auch gesagt haben: Ich bin der Gekreuzigte. Ich bin der Mann, der für euch sterbend am Kreuz hängt. Die Menge hatte gebrüllt: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn“. Vor diesem Mann, der sich kreuzigen lässt, beugen wir uns wohl gerne. Es ist der gleiche wie der, der von sich sagt: Ich bin das Licht der Welt, ich bin das Brot des Lebens, ich bin der gute Hirte, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Und schließlich auch: Ich bin das Tor zu den Schafen. Jesus will uns wohl sagen: Folgt nicht den irrlichternden Verführern, die in den Stall kommen, in dem ihr lebt. Fallt nicht auf die Stimme der Verführer herein, fallt nicht auf die verlockenden Töne herein, die euch das Paradies versprechen, fallt nicht auf die Reklame herein, die sagt: Mit dem oder jenem lebt ihr viel länger. Denn euer Herz braucht Nahrung. Jesus ist Nahrung fürs Herz. Fallt nicht auf die Bilder rein, die euch ewige Jugend verheißen. Die wirkliche Schönheit kommt von innen, kommt vom Herrn, der in euch wohnt. Fallt nicht auf die falschen Hirten rein, die euch in die Irre führen. Ja – Jesus ist anspruchsvoll. Aber dass ihr euch auf sein Wort verlassen könnt, das seht ihr, wenn ihr aufs Kreuz schaut. Er ist euch treu geblieben, ist am Ölberg nicht davongelaufen. Er sagte zu den Soldaten am Ölberg: Wenn ihr mich sucht, dann lasst diese gehen. Jesus sagt auch: ich bin die Tür zu den Herzen der Menschen. Ich mache sie glücklich, ich gebe ihnen ewige Schönheit, ewiges Glück, ewige Treue, ewiges Leben. Wer durch eine andere Tür in die Herzen der Menschen eindringt, der verführt sie.
Jesus ist anspruchsvoll. Nach seinen Worten kann man nicht zwei Herren dienen. Es gibt nur einen, der das ganze Herz ausfüllt. Denn er hat sein Herz ganz geöffnet. Amen
Aus der Apostelgeschichte Kap. 2, Vers 14, 36 bis 41
Am Pfingsttag trat Petrus auf zusammen mit den Elf. Er erhob seine Stimme und begann zu reden: Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt. Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? Petrus antwortete ihnen: Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird. Mit noch vielen anderen Worten beschwor und ermahnte er sie: Lasst euch retten aus diesem verdorbenen Geschlecht! Die nun, die sein Wort annahmen, ließen sich taufen. An diesem Tag wurden ihrer Gemeinschaft etwa dreitausend Menschen hinzugefügt.
Fürbitten
Herr Jesus Christus, wir bitten dich für uns alle: Schenke uns Deinen heiligen Geist, damit wir dich erkennen, dich besser verstehen und Dir folgen können. Christus höre uns
Herr Jesus Christus, wir bitten dich für alle Christen, die mit dem Glauben und der Kirche ringen, die in einem innerlichen Kampf stehen. Erleuchte ihre Herzen und schenke ihnen deinen heiligen Geist. Christus höre uns.
Herr Jesus Christus, wir bitten dich für alle, die sich von Dir und deiner Kirche abgewandt haben. Bleibe weiter bei ihnen auf ihrem Lebensweg und schenke ihnen treue Begleiter, die ihnen helfen, Dich und ihren Weg zu finden. Christus höre uns
Herr Jesus Christus, wir bitten dich für alle, die Verantwortung haben in Politik und Gesellschaft. Gib ihnen deinen Heiligen Geist, damit sie nicht nur an sich und ihre Partei denken, sondern an das Wohl aller Menschen, für die sie Verantwortung tragen. Christus höre uns.
P. Eberhard Gemmingen SJ
Im Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit