In den heutigen Lesungen geht es um die Dramatik des Menschenlebens. Der Mensch ist ethischen Prüfungen ausgesetzt. Er muss seine Freiheit bewähren. Die Lesung erklärt in einem mythischen Bild, wie Versuchung und Sünde in die Welt kam. Das Evangelium zeigt, dass auch Jesus der Versuchung ausgesetzt war und sie nur durch den Gehorsam gegen Gott überwunden hat. Ohne die Suche und Frage nach Gott gelingt Menschenleben nicht.
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus, Kap. 4, 1-11
In jener Zeit wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen. Darauf ließ der Teufel von ihm ab und siehe, es kamen Engel und dienten ihm.
Predigt
Verehrte liebe Schwester und Brüder
Wir haben das Evangelium von der Versuchung Jesu durch den Teufel gehört. Vermutlich wirft es viele Fragen bei uns auf. Was ist da wirklich geschehen? Gibt es einen Teufel, der selbst Jesus versucht hat? Ist das alles Mythos? Was können und was sollen wir glauben? Was sollen wir durch dieses Evangelium lernen? Was will es uns sagen?
Wenn wir davon ausgehen, dass Jesus Christus wirklich ganzer Mensch war, dann müssen wir auch davon überzeugt sein, dass er so ähnlich wie wir alle versucht wurde. Er musste durch all die Prüfungen hindurch, durch die auch wir müssen. Und das, was wir Teufel nennen, kommt nicht von außen, sondern kommt von innen. Es sind versucherische Gedanken, die auch uns verlocken, etwas Fragwürdiges zu tun, um unsere Ziele zu erreichen. Es sind Gedanken, die Gott aus dem Spiel lassen. Es sind auch verwirrende Gedanken.
Jesus ist gekommen, das Reich Gottes zu verkünden. Und dazu kamen ihm Gedanken, die Effizienz versprachen, aber nicht den Gesetzen Gottes entsprachen. Die am leichtesten zu verstehende Versuchung, war die Versuchung zur Show, der Sprung von der Tempelzinne, zur Verblüffung der Menschen. Der Gedanke lautete: Das Volk wird Dir klatschen und nachlaufen, denn Deine Show ist hinreißend. Der diabolische Gedanke ist: Mach eine Show, dann gewinnst du die Menschen.
Die andere Versuchung: Du musst Macht gewinnen. Wenn Du Macht hast, kannst du die Leute zwingen, dir zu folgen. Und die erste Versuchung: Gib den Menschen genug zu essen, dann laufen sie dir nach, dann müssen sie nicht mehr arbeiten. Es geht um Grundversuchungen, die uns Menschen alle befallen können. Essen heißt: Genug Materie, dann schläft der Geist ein. Genug Show, dann hat der Mensch keine Langeweile und kommt nicht zum Denken. Genug Macht, dann kannst du die Menschen zwingen, das zu tun, was du willst.
Es sind die Grundversuchungen, die den Menschen als Menschen befallen. Aber jetzt mache ich einen Sprung in die heutige Kirchensituation in Mitteleuropa.
Die Menschen erwarten von der Kirche, dass sie sich um die Armen kümmert, ihnen zu essen gibt. Dann kann sie nachher auch von Gott sprechen. Sie wird überzeugend durch Sozialarbeit. Soll die Kirche also zunächst nur Caritas und Misereor machen? Sollte die Verkündigung Jesu Christi vielleicht warten? Nein – so die Botschaft des Evangeliums - der Mensch hungert nicht nur nach Brot, er hungert in seiner tiefsten Seele nach einem unendlichen Du, das ihn in seine Arme schließt, er hungert nach Gott. Wenn die Kirche primär dem Wunsch der breiten Öffentlichkeit folgt, Sozialarbeit leistet und Gott einmal beiseitelässt, dann verrät sie letztlich auch den Menschen, denn der Mensch lebt eben nicht nur vom Brot alleine.
Oder soll die Kirche sich zunächst einmal nur um ihre Glaubwürdigkeit kümmern, also um ihr Image, um die Aufdeckung aller Sünden der Priester, die Vertuschung durch die Bischöfe? Ja – das muss sie tun. Aber es wird ihr nur gut gelingen, wenn sie dabei die Suche und Frage nach Gott ständig mitdenkt, nur wenn sie betet. Wir werden den sexuellen Missbrauch durch Priester und die Vertuschung durch Bischöfe nur überwinden, wenn wir nicht nur nach Strukturen fragen, sondern zuerst um Gott ringen.
Oder soll sich die Kirche um gute Koalitionen mit Politik, Wirtschaft und Medien kümmern? Braucht sie zunächst Einfluss, um dann anschließend wieder zur Verkündigung Gottes zurückzukehren. Auch das ist eine Versuchung.
Wenn von Gott vorübergehend mal nicht gesprochen wird, um sich nur ums Brot zu kümmern, um die eigene Glaubwürdigkeit, um Ansehen und Einfluss, dann verrät die Kirche ihre Berufung. Wir können Gott nicht beiseitelassen.
Jesus hat in seinem Inneren gerungen mit den Versuchungen, sich zunächst nur ums Brot der Menschen zu kümmern. Er hat gerungen mit der Versuchung, den Menschen zu imponieren. Er hat gerungen mit der Macht. Sein Leben endete aber im Opfer am Kreuz. Es ging um die Liebe, die konsequente Liebe zu Gott und den Menschen. Sosehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.
Wir stehen in unseren Tagen mitten in der Versuchung, uns um alles Mögliche in Kirche und Gesellschaft zu kümmern. Aber ringen wir hinreichend um Gott? Sind wir uns darüber im Klaren, dass Synode heißt: Hören auf Gott, hören auf den Nächsten und hören auf den im Stillen sprechenden Gott. Und kommen wir dem auf die Spur, der verwirrt. Der Diabolos beginnt mit der Verwirrung. Erst in der Verwirrung hat der Diabolos eine Chance seine Ziele zu erreichen. Der Diabolos versteckt sich in nur scheinbar klugen Ideen. Kommen wir ihm auf die Spur und ringen um Gott. Das ist die Berufung unserer Zeit. Amen
Lesung aus dem Buch Genesis, Kap.2, 7-9; Kap.3, 1-7
Gott, der Herr formte den Menschen vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der HERR, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und begehrenswert war, um klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.
Fürbitten
Herr Jesus Christus, Wir bitten dich um geistige Wachheit. Schenke uns die Aufmerksamkeit auf die Verführungen, denen wir ausgesetzt sind, auf die Verwirrungen durch einen widergöttlichen Geist. Christus höre uns.
Herr Jesus Christus, wir bitten dich um den heiligen Geist für die geistigen Anführer unserer Zeit, für die Vordenker, die Meinungsmacher, die Journalisten. Hilf, dass es ihnen nicht nur um den Applaus geht, sondern um die Wahrheit für den Menschen. Christus höre uns.
Herr Jesus Christus, wir bitten dich für die politischen Machthaber rund um den Globus. Hilf, dass sie nicht nur an ihre Partei und das Geld denken, sondern an das Volk und ihre Verantwortung für das Gemeinwohl. Christus höre uns.
Herr Jesus Christus, wir bitten dich für die Menschen, die nichts mehr können außer beten. Lass sie daran glauben, dass sie Macht haben, durch Gebet die Welt zu verändern. Christus höre uns
P. Eberhard Gemmingen SJ
Im Einsatz für Glaube und Gerechtigkeit